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Archiv-Artikel

Toter Reaktor gefährdet Forschungsetat

Im Bundesforschungsministerium wird Bares knapp, weil der Rückbau eines Forschungsreaktors in Karlsruhe eine halbe Milliarde Euro verschlingt. Die neue Ministerin Annette Schavan muss das Geld von ihrer Innovationsoffensive abzwacken

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Es hatte so gut ausgesehen für Annette Schavan (CDU). Erst obsiegte die neue Forschungsministerin im Kabinett beim Armdrücken mit Edmund Stoiber (CSU), der ihr Ministerium zerstückeln wollte. Dann vereinbarte die Große Koalition einen satten, langfristigen Geldzuwachs für Schavans Haus. Doch jetzt platzt der sündhaft teure Rückbau eines Forschungsreaktors in die Finanzplanungen. Die Beseitigung der seit 1991 abgeschalteten Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe soll 562 Millionen Euro mehr kosten als angenommen, und ein Ende der Kostenlawine ist nicht abzusehen.

Der Fraktionschef der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, nennt die Atomanlage ein „Fass ohne Boden“. Bis 2005 sind bereits 1,1 Milliarden Euro in die Sicherung der Anlage geflossen, die der Grundlagenforschung für eine kommerzielle Wiederaufarbeitung abgebrannter Kernbrennstoffe gedient hatte. Auch der Bundesrechnungshof hat wegen der Kosten bereits Alarm geschlagen.

Wer sich interne Briefwechsel des Schavan’schen Forschungsministeriums mit den Beteiligten ansieht, weiß warum. Den Ministerialen in Berlin will es einfach nicht gelingen, die Kosten des Reaktorrückbaus zu kontrollieren. Das Ministerium wird mit dem Unternehmen, das die Sicherung des Reaktors vornimmt, erst bis Ende nächsten Jahres konkrete Kosten vereinbaren. Bis Ende dieses Jahres soll erstmals ein Konzept vorgelegt werden, wie die immensen Zusatzausgaben überhaupt zu steuern sind. „Sollten sich erneut Kostensteigerungen in wesentlicher Höhe ergeben, werden wir den Ausschuss informieren“, schrieb Schavans Staatssekretär Andreas Storm (CDU).

„Sie wollen das Geld doch sofort von uns“, schimpfte daraufhin die FDP-Abgeordnete Ulrike Flach im Haushaltsausschuss, der die Kostensteigerungen am Mittwochabend mit den Stimmen von CDU und SPD abnickte. Die Grünen-Abgeordnete Anna Lührmann, deren Gegenantrag die Koalition zurückwies, findet es „abenteuerlich, einen Vertrag mit der Rückbaufirma abzuschließen – und erst danach über die Kosten zu verhandeln“.

Dass sich Schavans Ministerium überhaupt bewegt hat, erzwang der Bundesrechnungshof. Noch zur Regierungszeit von Kanzler Helmut Kohl (CDU) war ein Vertrag mit der Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe Betriebsgesellschaft mbH (WAK GmbH) über den Abbau der eigenen Anlage geschlossen worden. Der Rechnungshof kritisierte diesen Vertrag scharf, da er der WAK „einen betragsmäßig und zeitlich nicht begrenzten Anspruch auf Erstattung ihrer Selbstkosten“ gegeben habe.

Zu Deutsch: Es bestand für das Unternehmen kein Anreiz, das Projekt schnell und kostengünstig zu beenden. Als die WAK die erste Milliarde verbraucht hatte, beauftragte Schavans Vorgängerin Edelgard Bulmahn (SPD) die bundeseigenen Energiewerke Nord mit dem Rückbau des Reaktors. Die Kostenbegrenzung muss nun allerdings Nachfolgerin Annette Schavan vornehmen. Ein Sprecher verwies denn auch darauf, „dass das alles bereits von der alten Regierung eingetütet wurde“.

Die Crux der Kostenexplosion für Annette Schavan: Sie soll pro Jahr gerade mal 150 Millionen Euro zusätzlich für ihre Forschungseinrichtungen erhalten. Dieser hart erkämpfte Aufschlag wird von 2007 an zu einem Drittel vom atomaren Rückbau aufgefressen. Die Grüne Lührmann kommentierte das bitter: „Die öffentlichen Mittel, die hier aus dem Fenster geworfen werden, fehlen für die zukunftsorientierte Forschung.“