: Koranverse auf Toilettenpapier gestempelt
Ein 60-jähriger Münsterländer wollte provozieren, weil er den Koran als Gewaltverherrlichung sieht. Seine Kampagne blieb auch im Iran nicht unbemerkt. Jetzt steht er in Lüdinghausen wegen Religionsbeschimpfung vor Gericht
BERLIN taz ■ Ausgerechnet am kleinen Amtsgericht in Lüdinghausen bei Münster findet demnächst ein bizarrer Rechtsstreit statt, der für neue Aufregung in der muslimischen Welt sorgen könnte. Zu klären ist die Frage, ob es in Deutschland strafbar ist, Klopapier mit einem Koranstempel zu bedrucken.
Angeklagt ist der 60-jährige Kaufmann Manfred v. H. aus der Nähe von Münster. Im Juli stempelte er 15 Blatt Klopapier mit dem Aufdruck „Koran, der heilige Qur’an“ und schickte sie unter anderem an ARD, ZDF, Spiegel und Stern sowie an Moscheen in Duisburg, Hamburg und Dortmund. Beigefügt war ein Schreiben, in dem der Koran als „Kochbuch für Terroristen“ bezeichnet wurde, weil das Buch viele Textstellen enthalte, die zu Gewalttaten aufriefen. Zur Erinnerung an die „Opfer des islamischen Terrors“ werde nun eine Gedenkstätte gebaut, heißt es weiter, die mit dem Verkauf bedruckter Klorollen finanziert werden soll. „Der Kaufpreis beträgt vier Euro“, schrieb v. H., „davon werden zwei Euro für die Errichtung des Mahnmals verwendet.“
Die Aktion, die auch in Internetforen publiziert wurde, führte zu Strafanzeigen und telefonischen Morddrohungen. Am 19. Juli vorigen Jahres wandte sich sogar der Iran auf offiziellem diplomatischem Weg an das Auswärtige Amt und bat, die Beleidigung des Koran sofort zu unterbinden. Drei Tage später erwirkte die Staatsanwaltschaft in Münster einen Durchsuchungsbeschluss bei v. H. Dabei stellte die Polizei den Computer sowie geringe Mengen bedruckten Toilettenpapiers sicher.
Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Münster Anklage gegen den 60-Jährigen erhoben. Er soll gegen Paragraf 166 des Strafgesetzbuches verstoßen haben. Dort ist die Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen verboten, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Diese Eignung bejahte die Staatsanwaltschaft mit Verweis auf den offiziellen iranischen Protest.
Der Kaufmann räumt laut Anklageschrift (Az. 540 Js 1309/05) die Tat ein und beruft sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit. Für ihn sei die Toilette der einzige Ort, wo die islamische Ideologie hingehöre, sie stehe für ihn auf einer Stufe mit dem Nationalsozialismus. Den Verkauf bestempelten Toilettenpapiers habe er wegen des hohen Aufwands allerdings nie ernsthaft vorgehabt, er habe lediglich provozieren wollen, wird er in der Anklageschrift zitiert.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft kann sich v. H. jedoch nicht auf seine Grundrechte berufen. Sein Verhalten sprenge „vielmehr den Rahmen einer auf Toleranz und Achtung der personalen Würde ausgerichteten offenen Gesellschaft“, so die Ankläger. Die mündliche Verhandlung ist für den 23. Februar geplant. Es ist eines der ersten Strafverfahren in Deutschland, bei dem über die Beschimpfung des Islam geurteilt wird. Trotz der zurzeit aufgeladenen Stimmung wegen der dänischen Mohammed-Karikaturen sind am Amtsgericht Lüdinghausen bisher aber noch keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen, sagte ein Gerichtssprecher. CHRISTIAN RATH