: Pfusch am Bau wird kaum noch kontrolliert
Nach dem Halleneinsturz in Bad Reichenhall: Die Bauminister treffen sich heute in Berlin, um über die Sicherheit öffentlicher Gebäude zu beraten. Allerdings sind Bund und Länder für die Baukontrolle meist nicht zuständig – und den Kommunen fehlt das Geld, um Hallen und Schulen zu sanieren
BERLIN taz ■ Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) trifft heute seine Länderkollegen in Berlin. Auf der Tagesordnung steht auch die „Sicherheit von öffentlichen Gebäuden“. Denn Anfang des Jahres stürzte eine Eissporthalle in Bad Reichenhall ein; vor einer Woche brach eine Messehalle im polnischen Kattowitz unter der Schneelast zusammen. Jetzt am Wochenende wurde eine Schwimmhalle in Potsdam gesperrt – die Hälfte ihrer Stahlträger sei angerostet, teilten die Behörden mit.
Das Bauministerium in Sachsen-Anhalt will deshalb heute beantragen, eine Expertengruppe zu gründen, um konkrete Vorschläge zu erarbeiten, wie Häuser und Hallen sicherer gemacht werden könnten. „Wir wollen keinen vorschnellen populistischen Aktionismus“, erklärte ein Sprecher gegenüber der taz. „Wir wollen möglichst eine durchdachte bundeseinheitliche Lösung.“
Eine einheitliche Richtlinie fordert auch der Verband Beratender Ingenieure (VBI). „Statikschäden lassen sich nicht mit bloßem Auge sehen“, sagt Klaus Rollhagen vom VBI. „Sonderbauten“ wie Brücken oder Tunnel werden bereits regelmäßig überprüft. Diese Vorschrift solle ausgeweitet werden, meint Rollhagen. „Begutachtungen sind dringend notwendig.“ Allerdings warnt er davor, Panik zu verbreiten.
„Regelmäßige Gebäudeprüfungen sind schon aus versicherungsrechtlichen Gründen sinnvoll“, sagt Valentin Fett von der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Bereits beim Bau fehle häufig die Kontrolle. Auch der private Häuslebauer sei betroffen. In Rheinland-Pfalz mussten gerade 25 neue Einfamilienhäuser geräumt werden. Nachdem 23 Familien ihr neues Heim bezogen hatten, stellte sich heraus, dass die Häuser nicht standsicher waren. Denn der Bauprozess wird oft nicht mehr von einem öffentlichen Bauleiter überprüft – ihn haben die meisten Bundesländer abgeschafft. „Unter dem Druck von leeren Kassen zählt oft nur der Preis,“ sagt Fett. „Wenn öffentliche Gebäude dann auch noch von privaten Partnern gebaut werden und der Schule schlüsselfertig ein Stück Turnhalle vermietet wird, gibt es gar keine Kontrolle mehr.“
Sollten sich die Bauminister heute einigen, bleibt dennoch ein Problem: Für die meisten öffentlichen Gebäude sind nicht Bund und Länder zuständig, sondern die Kommunen. Die aber erklärten erst letzten Donnerstag in Berlin, dass ihnen das Geld für die nötigen Reparaturarbeiten fehle. Trotzdem gehe natürlich die Sicherheit vor. „Ganz unabhängig von unserer Finanznot“, beeilte sich ein Sprecher des Städtetages zu versichern.
Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzt, dass die Kommunen allein für die Sanierung und Modernisierung von Schulen, Hallenbädern und Krankenhäusern in den nächsten zehn Jahren rund 130 Milliarden Euro benötigen. Insgesamt verzeichnen die Städte einen jährlichen Investitionsbedarf von 67 Milliarden Euro. Doch können sie derzeit nur jährlich 18,6 Milliarden Euro aufbringen – es klafft eine Lücke von fast 40 Milliarden Euro zwischen Bedarf und Realität. Dabei machen schon jetzt die Sanierungen einen Großteil der Bauleistungen aus: So schätzt das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, dass beim Wohnungsbau etwa 55 bis 60 Prozent Sanierungsmaßnahmen sind. MIRJAM MEINHARDT