WER KEINE STEUERN ZAHLT, KANN AUCH KEINE KITA-KOSTEN ABSETZEN : Drehen an der falschen Schraube
Wochenlang haben sie gestritten, debattiert, sich überboten im Wettstreit, welche Partei die familienfreundlichere sei. Gestern endlich einigten sich CDU und SPD auf einen Kompromiss. Alle Eltern – auch Alleinverdiener – dürfen künftig einen Teil der Kosten für Kita, Kindergarten oder Tagesmutter steuerlich geltend machen.
Es war richtig, den ursprünglichen Kabinettsbeschluss nachzubessern. Einige Absurditäten sind jetzt behoben: Etwa jene, dass die Regierung die Eltern von kleinen Kindern schlechter stellen wollte als die von Schülern. Auch ist es vernünftig, dass Alleinverdienerpaare ebenfalls Betreuungskosten absetzen dürfen. Nur weil eine Hausfrau die Zeit hat, ihr Kind ganztags zu umsorgen, bedeutet das nicht, dass sie es auch optimal fördert. Kita- und Kindergärten sind mehr als Verwahrorte und Mutterersatz. Sie sind – idealerweise – auch ein Hort der Bildung.
Das Problem ist ein anderes: Die Regierung verkauft hier mit maximalem Medienecho eine Novelle, die gerade die bedürftigsten Eltern gar nicht erreicht. Einem Drittel aller Familien bringt die neue Absetzregelung keinen Zusatzcent in der Haushaltskasse – weil sie erst gar keine Steuern bezahlen. Und ansonsten profitieren vor allem Gutverdiener. Vielen Familien wird die Reform nicht mehr bringen als ein wenig Extrageld für einen neuen Babypulli oder ein paar Zusatzschnuller. Darauf verweist schon das Finanzvolumen, um das in der Koalition gestritten wurde: Gerade einmal 460 Millionen Euro soll die Novelle kosten. Zum Vergleich: Fürs Elterngeld sind 4,5 Milliarden Euro eingeplant.
Der Verdacht liegt nahe, dass CDU und SPD den Publicitiy-Faktor des Themas Familien entdeckt haben – und nun ein Reförmchen zum Signal einer Zeitenwende aufwerten. Das an sich wäre noch nicht verwerflich, würde es nicht ein Risiko bergen: Dass die Politik solche Kleinstnovellen als Vorwand nutzt, weit wichtigere Projekte aufzuschieben. Man kann es nicht oft genug sagen: Ein umfassendes, kostengünstiges Kita-Angebot hat Priorität. COSIMA SCHMITT