: Der Krieg in Darfur spaltet Afrika
Die Afrikanische Union eröffnet heute ihren Staatengipfel – im Sudan, das auch die AU-Präsidentschaft übernehmen soll. Das sorgt für heftigen Streit und könnte das Aus für die AU-Eingreiftruppe in der Kriegsregion im Westen des Landes bedeuten
VON DOMINIC JOHNSON
Als die Afrikanische Union vor einem Jahr beschloss, ihr Gipfeltreffen von Januar 2006 im Sudan abzuhalten, meinte sie es gut. Gefeiert werden sollte der 50. Jahrestag der sudanesischen Unabhängigkeit 1956. Doch wenn heute der AU-Gipfel in der sudanesischen Hauptstadt Khartum beginnt, steht er unter den Vorzeichen von Spaltung und Krieg.
Turnusmäßig müsste Sudans Präsident Omar el-Beshir auf diesem Gipfel die AU-Präsidentschaft von dem Nigerianer Olusegun Obasanjo übernehmen. Das ist, als würde man die Leitung der Internationalen Atomenergiebehörde dem Iran übertragen. Denn Sudan ist Stationierungsort einer AU-Eingreiftruppe. Diese soll die andauernden ethnischen Säuberungen in der Westregion Darfur beenden, die Milizen, unterstützt von der Regierung, an der einheimischen schwarzafrikanischen Bevölkerung verüben. Der Vernichtungskrieg hat seit 2003 zwischen 120.000 und 400.000 Tote sowie über 2 Millionen Vertriebene gefordert. Wenn die dafür verantwortliche Regierung die AU führt, sind deren Friedensbemühungen diskreditiert.
Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt haben die AU daher aufgefordert, die Übertragung ihrer Präsidentschaft auf el-Beshir zu verhindern. Forderungen von Tschad, den Gipfel zu verlegen, fanden zwar kein Echo. Doch im westlichen und südlichen Afrika stößt zumindest die Forderung nach einer Alternative zu el-Beshir als AU-Präsident auf Sympathie. Sudan kann demgegenüber auf die Unterstützung des östlichen und nördlichen Afrika zählen.
Sollte sich Sudan durchsetzen, könnte dies das Aus für die AU-Militäroperation in Darfur bedeuten. Derzeit reicht das Geld dafür nur noch bis März. Und bei den Partnern der AU in UNO, EU und Nato gewinnt die Idee Unterstützung, die Truppe danach ganz abzuschaffen und durch eine schlagkräftige internationale Eingreiftruppe zu ersetzen, die Milizenangriffe und Vertreibungen nicht nur beobachtet, sondern auch verhindert.
Bis zu 20.000 Mann wünscht sich dafür der UN-Sonderbeauftragte für Sudan, Jan Pronk – die AU hat knapp 7.000. Es zirkulieren Überlegungen, Nato-Kampftruppen anzufordern. UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte kürzlich eine „mobile“ Truppe in Darfur mit „Betonung auf Beweglichkeit in der Luft“.
Bisher wird die AU-Truppe von Nato und EU nur logistisch unterstützt, nicht personell. Die Schwächen der Truppe, die vor allem von Nigeria und Ruanda gestellt wird, analysierte letzte Woche die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ unter Berufung auf interne AU-Berichte: Sie ist für Treibstoff auf das Wohlwollen der sudanesischen Behörden abhängig, hat keine eigenen Kampfhubschrauber, und die Soldaten wissen nicht, was sie dürfen und was nicht. So erfordert das Mandat zwar den Schutz der Zivilbevölkerung, aber die Einsatzregeln der nationalen Kontingente führen nicht aus, was das bedeutet. Dennoch, so HRW, gibt es kurzfristig keine Alternative zur AU-Truppe in Darfur. Denn eine Übergabe der AU-Mission an die UNO würde mindestens ein halbes Jahr dauern.
Zwei Möglichkeiten gibt es: Sudan übernimmt die AU, deren Mission in Darfur wird paralysiert, und die Debatte um eine andere Form der Intervention beginnt. Oder die AU findet einen anderen Präsidenten, und ihre Truppe wird effektiver ausgerichtet. Die AU-Kommission unter dem Malier Alpha Oumar Konaré steht hinter dem zweiten Weg. In einer Vorlage an den Gipfel verurteilt Konaré andauernde Verbrechen in Darfur. Seit Mai 2005 habe es 139 Waffenstillstandsbrüche durch Armee, Rebellen und „diverse Milizen“ gegeben. Die AU-Soldaten müssten ab jetzt „robust“ eingreifen, um die Bevölkerung zu schützen.
Diese Stellungnahmen haben Sudans Regierung zu scharfem Protest veranlasst und Khartums Bestreben bestärkt, den Laden selbst zu übernehmen. Sudan kalkuliert, dass die Aufstellung einer Alternative zur AU so lange dauert, dass es kurzfristig in Darfur wieder freie Hand hat. Eine Entscheidung darüber ist auf dem Gipfel noch nicht zu erwarten. Aber der Ausgang des Ringens um die AU-Präsidentschaft wird eine Vorentscheidung darstellen und zeigen, ob der Staatenbund sich für oder gegen die eigene Irrelevanz entscheidet.