: Schild-Bürger im Bezirk
Hamburg hat wichtige Probleme. Doch das allerwichtigste lautet offenbar: Soll die Hansestadt zukünftig weiße oder rote Stadtteilschilder haben?
Von Marco Carini
Rot oder weiß? Nein, es geht hier nicht darum, was auf die Pommes drauf soll. Es geht darum, welche Farbe Hamburgs Stadtteilschilder zukünftig haben sollen. Und genau hierüber herrscht derzeit ein erbitterter Streit in vielen der sieben Hamburger Bezirke, in den auch die Baubehörde und die Innenbehörde involviert sind.
In dunklem Rot sind die meisten Ortsteile in der Hansestadt seit jeher beschildert. Das müsse sich ändern, befanden Bau- und Innenbehörde. Da Hamburg politisch nicht mehr rot ist, dürften es auch die Schilder in Zukunft nicht mehr sein. Zudem sei es fraglich, ob die roten Schilder überhaupt der Straßenverkehrsordnung entsprächen.
Deshalb sollte schwarze Schrift auf weißem Grund in Zukunft Einheimischen wie Touristen den Weg weisen. Dazu müsse auf allen neuen Schildern auch ein Hinweis auf den Bezirk gegeben werden, in dem der jeweilige Stadtteil liegt. Die Leiter der Tiefbauabteilungen aller sieben Bezirke stimmten bereits 2004 in diesen Kanon mit ein. Doch damit hatten sie die Rechnung ohne die Bezirksfürsten in Nord, Altona und Eimsbüttel gemacht.
So werden in Eimsbüttel derzeit Fakten geschaffen. „Wir haben in den vergangenen Jahren etwa 70 Ortsteilschilder erneuert – in Rot“, verrät etwa Thomas Pröwrock, Leiter der zuständigen Gartenbauabteilung in Eimsbüttel, und beruft sich dabei auf einen Beschluss der rot-grün regierten Eimsbüttler Bezirksversammlung. Dass die Landesbehörden das anders sehen, ficht Pröwrock nicht an. „Die roten Ortsschilder sind ein Stück Hamburger Tradition“, verteidigt der Amtsmann die Ignoranz gegenüber den amtlichen Vorgaben. Zudem kann Pröwrock darauf verweisen, dass auch die Nachbarn in Nord und Altona auf die Traditionsfarbe setzen.
Doch auch dort führt der weiß-rote Schilderkrieg zu Kapriolen, die den Bund der Steuerzahler entzücken dürften. Sichtlich überfordert, den aktuellen Stand der Schilderdebatte noch nachzuvollziehen, ersetzte das Bauamt des auf rote Kennzeichen eingeschworenen Bezirks unlängst in Othmarschen ein „abgängiges“ Ortsschild in offiziellem Weiß – um es kurz darauf wieder abzubauen. Ein Schelm, wer da an „Schild-Bürgerstreiche“ denkt.
Noch komplizierter ist die Situation im Bezirk Wandsbek. Dort hagelt es seit Monaten Anfragen, Anträge und Erklärungen zum Thema Schilderfarbe. Bürgervereine und SPD machen gemeinsam Front gegen die Umstellung von Rot auf Weiß. Dass in dem einwohnerstärksten Bezirk in Zukunft „nach und nach langweilige und unauffällige weiße Schilder aufgestellt“ werden sollen, bewertet der Wandsbeker SPD-Verkehrspolitiker Ole Thorben Buschhüter als Anschlag auf „eine Hamburgensie“.
Doch obwohl das Bezirksamt in Eintracht mit CDU und GAL betont, im Sinne der stadtweiten Vereinheitlichung würden konsequent kaputte rote Ortstafeln durch weiße ersetzt, probt es sogleich die Kehrtwende zum rot-weißen Mischmasch. Wo die „Pflege und Unterhaltung der vorhandenen roten Schilder dauerhaft gesichert“ sei, bestünden „keine Bedenken, die rote Beschilderung beizubehalten“.
Keine groß aufgelegten Schilderprogramme wie in Eimsbüttel und erst recht keine roten Ortstafeln wollen hingegen die übrigen Bezirke Harburg, Mitte und Bergedorf. Die Verantwortlichen in allen drei Bezirksämtern betonen, bei ihnen „würden Ortsteilschilder nur dann durch weiße Nachfolger ersetzt, wenn die alten verrostet, geklaut oder umgefahren worden“ seien. „Da haben wir andere Prioritäten“, erteilt der Bergedorfer Bezirksamtssprecher Otto Steigleder jedem Austauschprogramm eine Absage und fügt hinzu: „Das Geld ist wirklich knapp genug.“