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Archiv-Artikel

„Der Chauffeur hat sie verhökert“

Der Geschäftsmann Rolfeckhard Giermann, ehemaliger DDR-Handelsattaché in Bagdad, lernte Susanne Osthoff im September in Bagdad kennen. Er ist überzeugt, dass sie von ihrem Chauffeur verraten wurde, weil sie 17.000 Dollar bei sich hatte

INTERVIEW BARBARA BOLLWAHN

taz: Nach wie vor sind die Hintergründe der Entführung von Susanne Osthoff unklar. Haben die Entführer politisch motiviert gehandelt oder aus finanziellen Gründen?

Rolfeckhard Giermann: Von meinen persönlichen Kontakten in Bagdad weiß ich, dass Frau Osthoff vor ihrer Entführung am 25. November mit 17.000 Dollar, die sie von der deutschen Botschaft in Bagdad erhalten hatte, losgefahren ist.

Wofür war das Geld?

Für die erste Abschlagszahlung an eine Baufirma, die ich ihr besorgt hatte. Es ging um die Sanierung des Stadtpalastes in Mossul im Norden des Irak, die das Auswärtige Amt gefördert hat. Ich bin felsenfest überzeugt, dass es den Entführern um eine ganz primitive Variante von Geldbeschaffung ging. Derjenige, der Frau Osthoff das Taxi besorgt hat, ist ein mir sehr gut bekannter Scheich aus dem Irak, der mich mehrfach mit sicheren Autos und sicheren Fahrern versorgt hatte. Er hat mir in die Hand versprochen, sich um Susanne zu kümmern, wenn sie in Bagdad ist.

Sie meinen Scheich Dschamal al-Duleimi.

Ja. Anscheinend hat er einen fundamentalen Fehler gemacht und ein Taxi besorgt, das sich als nicht sicher erwiesen hat.

Glauben Sie, dass der Scheich Frau Osthoff verraten hat?

Ich bin mir 100 Prozent sicher, dass dem nicht so ist.

Frau Osthoff hat die Vermutung geäußert, dass ihr Fahrer sie verraten hat.

Ich bin überzeugt, dass der Chauffeur sie an irgendwelche Banditen verhökert hat, ohne dass der Scheich das wusste.

Wo und wann haben Sie Frau Osthoff kennen gelernt?

Ende September, als ich das letzte Mal im Irak war, bei einem Vortrag in Bagdad, wo ich mit al- Basri war.

Ibrahim al-Basri, der Ex-Leibarzt von Saddam Hussein?

Ja. Frau Osthoff wohnte damals in einem fürchterlichen Hotel in einer schlimmen Ecke, wo man als Ausländer normalerweise gar nicht hingeht. Deshalb habe ich sie in der Wohnung des Scheichs untergebracht.

Wie haben Sie Frau Osthoff erlebt?

Ich sag’s mal so: Sie ist genauso eine Irakverrückte wie ich. Eine gewisse Meise muss man haben, wenn man in dem Land lebt und arbeitet. Deswegen ist man aber nicht so bekloppt, wie sie jetzt dargestellt wird. Sie ist ausgesprochen realistisch in der Einschätzung der Lage.

Es gibt keine Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Fahrers und des Scheichs, der den Fahrer besorgt hat. Wissen Sie etwas über deren Verbleib?

Nein. Bei dem Scheich nehme ich an, dass er verschwunden ist, weil er sein Gesicht verloren hat.

Wie haben Sie das Interview im ZDF mit Frau Osthoff empfunden, das am Dienstag ausgestrahlt wurde, in dem sie verschleiert war und wirr geredet hat?

Ich verstehe das Interview nicht. Ich habe gedacht, sie steht so neben sich, dass sie nicht weiß, was sie redet. Oder sie steht unter Drogen. Oder sie hat vor, einen Scheich zu heiraten, damit sie materiell versorgt ist, und sich deswegen in einen Schleier eingewickelt.

In dem Interview hat Frau Osthoff ständig von Geld gesprochen. Wissen Sie, was sie meint?

Die Frau ist schriftlich beauftragt als Verantwortliche für die Rekonstruktion des Stadtpalastes in Mossul mit deutschen Steuermitteln. Für dieses Jahr hat sie dafür Geld bekommen und im Oktober in meinem Beisein wurde sie mörderisch unter Druck gesetzt.

Von wem?

Von den finanzverantwortlichen Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Bagdad. Ihr wurde gesagt, wenn sie das Geld nicht bis Jahresende verbraucht, verfällt es und für nächstes Jahr kriegt sie nichts mehr. Vorneweg wurde ihr aber gesagt, es sei verboten, dass sie nach Mossul geht. Damit ist sie richtig unter Druck gekommen. Aber in Arbil, wo wir ein Kulturzentrum planen, ist es absolut sicher. Von dort aus könnte sie sich um das Projekt im nahe gelegenen Mossul kümmern. Doch die deutsche Regierung setzt die Sicherheitslage im gesamten Irak gleich. Das ist Schwachsinn.

Könnten Sie verstehen, wenn Frau Osthoff zurück wollte in den Irak?

Ja, selbstverständlich. Was soll sie sonst machen? Sie ist Archäologin, sie hat ihre Wohnung in Deutschland aufgegeben, sie lebt dort unten, das ist ihr Leben.