: Nächstenhass
Die Geschichte des Christentums ist voller Gewalt – aber haben die Christen nicht gelernt? Halten sie nicht mittlerweile viel auf ihre Toleranz auch gegenüber denen, die sie nicht verstehen oder verstehen wollen? Wie stark sind sie von der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ infiziert? Und könnte die häufig beobachtete Wiederkehr der Religion in diesem Fall von Vorteil sein, weil das Christentum der eigenen Idee nach eine Religion der Friedfertigkeit und Nächstenliebe ist?
Dies sind die Fragen, die die Forscher um Heitmeyer untersucht haben – und sie kommen zu wenig schmeichelhaften Ergebnissen für die Christen hierzulande. Zunächst stellen die Sozialwissenschaftler fest, dass eine „Wiederkehr des Religiösen“ nach ihrem Datenmaterial zwischen 2002 und 2005 nicht zu beobachten ist. Aber wichtiger noch: „Christen – Protestanten wie Katholiken – sind gegenüber einer Reihe von schwachen Gruppen der Gesellschaft feindseliger eingestellt als Konfessionslose“, heißt es in einer Analyse der Forscher Beate Küpper und Andreas Zick.
Die größere Feindseligkeit gilt jedoch den Untersuchungen zufolge nicht für alle schwachen Gruppen gleichermaßen: „Christen sind vor allem gegenüber Frauen und Homosexuellen abwertend eingestellt“, schreiben die Forscher. In der Einstellung zu Ausländern, Muslimen, Obdachlosen und Behinderten unterscheiden sich Christen und Konfessionslose heute nicht. Katholiken sind tendenziell fremdenfeindlicher als Protestanten, dafür ist die Abneigung der protestantischen Christen gegenüber Obdachlosen größer als die der katholischen Christen. Insgesamt aber spielt die Konfession nicht die entscheidende Rolle. Wichtiger ist, wie gläubig man ist: Sehr religiöse haben meist mehr Vorurteile als eher weniger religiöse Christen. GES