: „Das Folterverbot gilt auch für die USA“
SPD-Bundestagsabgeordneter Rolf Mützenich: Otto Schily hätte das Parlament zum Fall al-Masri informieren müssen: „Wer solche Informationen einbehält, kann auch nicht kritisieren, dass Helmut Kohl sein Ehrenwort gegeben hat“
taz: Herr Mützenich, nach Aussage des Menschenrechtsbeauftragten des Europarates, Alvaro Gil-Robles, gibt es im Kosovo ein Gefangenenlager namens Bondsteel, das Guantánamo gleiche. Das war schon 2002 bekannt. Der UN-Ombudsmann Marek Nowicki hat das gestern noch einmal bestätigt. Warum hat das in Deutschland niemanden gekümmert?
Rolf Mützenich: Der Auswärtige Ausschuss ist darüber bislang nicht informiert worden. Offensichtlich hat aber Gil-Robles das EU-Parlament über die Vorgänge unterrichtet. Fest steht, dass die Behandlung und die Verhörmethoden von Gefangenen seitens der CIA, wo Entführungen und Folter offenbar als legitime Mittel angesehen werden, nicht akzeptabel sind. Es spielt dabei meines Erachtens keine Rolle, ob diese Praktiken nun auf Guantánamo oder im Kosovo ausgeübt werden. Hier muss weiter Druck seitens der Europäer ausgeübt werden. Das Folterverbot gilt auch für die USA und darf auch nicht dem Krieg gegen den Terror geopfert werden.
Wenn solche Berichte des Europarats im Bundestag gar nicht besprochen werden – versagt das Parlament dann nicht in seiner Kontrollfunktion?
Ja, sicher, aber wir sind als Parlamentarier in unserer Kontrollfunktion zum einen auf eine kritische Öffentlichkeit angewiesen, zum anderen auf eine umfassende Unterrichtung durch die Bundesregierung.
Über die Entführung al-Masris wusste die parlamentarische Kontrollkommission seit Anfang 2005 Bescheid. Was nützt das, wenn dieses Gremium keine Sanktionsmöglichkeiten hat und zur Geheimhaltung verpflichtet ist?
Wir haben schon öfter versucht, dieses parlamentarische Kontrollgremium zu reformieren und den Nutzen, den die Öffentlichkeit hat, zu steigern. Das ist bisher nicht gelungen, weil diese Kommission für die Aufsicht der Geheimdienste zuständig ist. Dass da manchmal Geheimhaltung verlangt wird, kann ich nachvollziehen. Aber wenn solche politisch brisanten Fälle wie die Entführung deutscher Staatsangehöriger durch US-Geheimdienste bekannt werden, gehört dies ins Parlament. Da hätte die Regierung den Bundestag unterrichten müssen
Ein Argument ist, eine Bekanntgabe hätte die ohnehin schwierigen Beziehungen zu den USA wohl schwer belastet, da der US-Botschafter Daniel Coats den Innenminister Otto Schily ja um Geheimhaltung gebeten haben soll. Ist es die alleinige Aufgabe der Bundesregierung, in solchen Fällen die Interessen abzuwägen?
Nein, die Bundesregierung muss zwar Interessen abwägen. Aber wenn ein Rechtsbruch vorliegt, muss sie handeln. Ich hoffe, dass die Bundesregierung alles getan hat, damit Herr Masri nach seiner Freilassung zu seinem Recht gekommen ist. Das müssen wir jetzt in Erfahrung bringen. Wer solche Informationen einbehält, kann auch nicht kritisieren, dass Helmut Kohl sein Ehrenwort gegeben hat, die Namen der CDU-Spender nicht zu nennen.INTERVIEW: SEBASTIAN SEDLMAYR