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Archiv-Artikel

Keine Einigung auf Bleiberecht

Innenminister von Bund und Ländern verweigern Ausländern, die mit Kettenduldungen hier leben, weiterhin einen sicheren Aufenthaltsstatus. Grünen-Chefin Roth enttäuscht: Sie hätte sich „weihnachtliche Stimmung und guten Willen“ gewünscht

VON CHRISTIAN RATH

Langjährig geduldete Ausländer müssen weiter in Ungewissheit leben. Die Innenminister von Bund und Ländern konnten sich gestern bei ihrer Konferenz in Karlsruhe nicht auf eine Bleiberechtsregelung einigen. Ihre Vorstellungen waren zu unterschiedlich. Insbesondere Bayern war gegen jedes Zugeständnis.

Die Bremser unter den Innenministern haben Angst, dass die Gewährung eines Bleiberechts das „falsche Signal“ sei. „Wenn ausreisepflichtige Ausländer ein Bleiberecht erhalten, weil sie schon lange hier leben, dann könnte dies für andere Ausländer geradezu eine Einladung sein, sich einer Beendigung ihres Aufenthalts zu entziehen“, erklärte etwa der Stuttgarter Innenminister Heribert Recht (CDU), derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK), So sieht dies auch sein Münchener Kollege Günther Beckstein (CSU): „Das Ausländerrecht muss konsequent vollzogen werden.“

Formaler Anlass, einen Beschluss zu verschieben, ist eine Klausel im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im Bund. Dort heißt es, das Zuwanderungsgesetz solle daraufhin überprüft werden, „ob eine befriedigende Lösung des Problems der Kettenduldungen erreicht wurde“. Die Länderinnenminister warten jetzt also auf die Evaluierung im Bund. Doch deren Ergebnis ist eigentlich klar: Das Problem der Kettenduldungen wurde nicht gelöst. Ausländer, die nicht abgeschoben werden können, erhielten seit Jahresbeginn nur zu einem ganz kleinen Teil einen dauerhaften Aufenthaltstatus, da die Ausländerbehörden der meisten Bundesländer sehr restriktiv vorgingen. Doch eine Einigung der Innenminister auf eine großzügigere Praxis scheiterte jetzt wohl auch daran, dass die Länder sehr unterschiedliche Vorstellungen hatten. Der neue nordrhein-westfälische Minister Ingo Wolf (FDP) wollte nur solchen Geduldeten ein dauerhaftes Bleiberecht geben, die sechs Jahre in Deutschland leben und seit zwei Jahren einen ungekündigten Arbeitsvertrag haben. Sein hessisches Pendant Volker Bouffier (CDU) war da großzügiger. Er wollte auch arbeitslosen Flüchtlingen eine Chance geben, wenn sie binnen sechs Monaten einen Arbeitsplatz finden. Bisher haben es Geduldete auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer, weil mit ihnen nicht langfristig geplant werden kann und sie nur solche Arbeitsplätze bekommen, für die sich keine Deutsche oder EU-Ausländer finden. Der Berliner Minister Ehrhart Körting (SPD) verfolgte ein ähnliches Modell. Beide aber wollten das Bleiberecht nur Familien mit Kindern gewähren. Niedersachsens Minister Uwe Schünemann (CDU) treibt die Kinderfixierung auf die Spitze: Nach seinem Vorschlag sollen zwar Kinder von geduldeten Ausländern ein Bleiberecht erhalten, ihre Eltern aber weiter abgeschoben werden.

Die Minister hätten „eine Chance für Humanität vertan“, kritisierte Grünen-Chefin Claudia Roth. „Von weihnachtlicher Stimmung und gutem Willen waren die Minister offensichtlich nicht erfasst.“