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Archiv-Artikel

Große Koalition, komplizierter Vertrag KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Der Koalitionsvertrag bestätigt den Verlauf der Verhandlungen. Belastet werden vor allem diejenigen, die schon jetzt Angst vor der Zukunft haben – und wer bisher keine Sorgen hat, muss sich auch künftig keine machen. Vermögenden und Spitzenverdienern sollen vor allem symbolische Opfer abverlangt werden.

Das gilt jedoch nicht für die geplante Neuregelung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien oder für entsprechende Überlegungen hinsichtlich der Erträge aus Fonds-Sparplänen. Warten wir ab, was davon im Gesetzgebungsverfahren übrig bleibt. Fest steht: Der Koalitionsvertrag ist allzu kompliziert, um insgesamt bejubelt oder niedergeschrieben werden zu können.

Manche Fehlentscheidungen scheinen allerdings in Stein gemeißelt zu sein. Keine Hoffnung hat sich erfüllt, die seinerzeit an die Senkung des Spitzensteuersatzes geknüpft wurde. Dennoch soll er nicht erhöht werden. Ob das auch damit zusammenhängt, dass viele Chefredakteure davon betroffen wären und die Koalitionäre sich vor Sperrfeuer der Medien fürchten? Bisher hält sich der öffentliche Unmut über den Koalitionsvertrag in Grenzen.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Allgemeinheit scheint der Debatten müde zu sein. Wohl auch deshalb, weil ein neues Bündnis über so viele Themen gleichzeitig verhandelt. Wer eine bestimmte Entscheidung ablehnt, hat größere Chancen auf Gehör, wenn sich erst einmal das Parlament damit befasst. Außerdem können beide Koalitionspartner bei ihren jeweiligen Anhängern mit Erfolgen punkten – Stichwort Kündigungsschutz, Stichwort Reichensteuer. Die Delegierten der Parteitage dürfte das gnädig stimmen.

Vor allem aber – und das ist eine positive Überraschung – ist es den Koalitionären gelungen, ein gemeinsames, zukunftweisendes Projekt auf die Schiene zu setzen. Wenn mit dem Verkauf von Goldreserven ein Investitionsprogramm finanziert würde, dann könnte das tatsächlich Impulse liefern. Dabei kommt es allerdings nicht alleine auf die Politik an. Ausgerechnet die entmachtete Bundesbank entscheidet nun über Wohl und Wehe der großen Koalition. Wir leben wahrlich innerhalb eines komplexen Systems.