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Archiv-Artikel

Einhellige Kritik an Journalisten-Bespitzelung

Rechtswidrige Beschattungsaktion des Bundesnachrichtendienstes stößt parteiübergreifend auf Unverständnis

BERLIN taz/rtr ■ Das Bekanntwerden eines neuerlichen Eingriffs in die Pressefreiheit kurz nach der Cicero-Affäre hat gestern Innenpolitiker aller Parteien alarmiert. Auf das Eingeständnis des Bundesnachrichtendienstes (BND), über Jahre hinweg Journalisten und Wissenschaftler beschattet zu haben, reagierte CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach „einigermaßen fassungslos“. Sein SPD-Kollege Dieter Wiefelspütz bezeichnete das Vorgehen als „eindeutig gesetzwidrig“. Ähnlich äußerten sich die Innenexperten von FDP und Grünen, Max Stadler und Silke Stokar.

BND-Präsident August Hanning hatte am Donnerstag offiziell bestätigt, dass seine Behörde in den Jahren 1993 bis 1995 Journalisten und Wissenschaftler observiert hatte, um undichte Stellen in den eigenen Reihen zu enttarnen. Zielperson war zunächst der Leiter des Weilheimer Forschungsinstitutes für Friedenspolitik, Erich Schmidt-Eenboom. 1993 hatte er sein Buch „Schnüffler ohne Nase“ veröffentlicht, in dem zahlreiche BND-Interna enthalten sind. Diese Informationen konnten nur aus dem Dienst selbst gekommen sein. Daraufhin wies der damalige BND-Chef Konrad Porzner (SPD) seine Sicherheitsabteilung an, das Institut mit Kameras zu überwachen.

Der Geheimdienst ging gleich noch einen Schritt weiter und beschattete Schmidt-Eenboom und seine Besucher, wenn sie das Haus verließen. Rund 60 Journalisten und Wissenschaftler seien dies in der fraglichen Zeit gewesen, schätzt Schmidt-Eenboom. Sie wurden von den BND-Agenten gefilmt und über ihre Autokennzeichen identifiziert. Ein Journalist wurde auf der Rückfahrt bis in sein Hotel verfolgt und dort über seine Meldedaten namentlich bekannt. Einem weiteren folgten die Observanten gleich tagelang, sogar beim Einkaufsbummel mit seiner Familie. In den Supermarkt begleitet wurde auch Schmidt-Eeenbooms Sekretärin, wo man gleich ihren Einkauf protokollierte.

Bekannt geworden ist die illegale Bespitzelung Anfang der Woche durch drei frühere Agenten, die an den Aktionen beteiligt waren. Sie haben sich Schmidt-Eenboom offenbart und entsprechende Unterlagen bei einem Notar hinterlegt. Inzwischen ist der Fall auch Thema im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages. Erich Schmidt-Eenboom selbst verlangt volle Aufklärung über die rechtswidrige Überwachung und hat mit Hanning bereits ein Gespräch vereinbart. OTTO DIEDERICHS

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