: Vogelgrippe kommt mit dem Gepäck
Das gefährliche Virus H5N1 kann mit dem Flugzeug nach Europa reisen. Viele halten den Schmuggel von exotischen Vögeln für das größte Problem. 2004 wurden in Deutschland 2.200 Vögel beschlagnahmt. Aber auch der legale Handel birgt Risiken
VON HANNA GERSMANN
Der Mann aus Thailand hatte den Schmuggel perfekt geplant: Er kaufte auf einem Markt in Bangkok zwei Berghaubenadler. Zu Hause band er ihnen den Schnabel zu, quetschte sie in eine 60 Zentimeter lange Pappröhre und verstaute sie in einem Koffer. Dann stieg er in das Flugzeug nach Brüssel. Dort angekommen sollte er seinen Auftraggeber treffen – einen belgischen Falkner. Der hatte für die Lieferung satte 15.000 Euro geboten.
Allein, der Zoll entdeckte die Fracht. Und weil der Import von Vögeln aus Thailand verboten ist, wurden die Tiere konfisziert und getötet. Bei der folgenden Routineuntersuchung stellte der Veterinär fest: Die Adler waren mit dem gefährlichen Virus H5N1 infiziert. Die Vogelgrippe hatte zum ersten Mal Europa nachweislich erreicht.
Die Geschichte hat sich schon im Oktober vergangenen Jahres zugetragen. Damals gab es kein großes Aufsehen. Doch wer weiß, wie sich der aggressive Erreger ausgebreitet hätte, wenn der Zoll nicht zugeschlagen hätte. Fest steht, der Schmuggel ist ein Risiko. Die Vogelgrippe, so sind sich viele Experten einig, kommt eher mit dem Gepäck als mit den Zugvögeln. „Illegale Tiertransporte und Reisende sind die gravierende Schwachstelle im Kampf gegen das Virus“, sagt auch der amtierende Verbraucherschutzminister Jürgen Trittin. Die Bundesrepublik hat deshalb die Kontrollen an den Grenzen verschärft. Zöllner, Polizisten und Tierärzte haben derzeit alle Hände voll zu tun.
Auf dem größten deutschen Flughafen, dem Frankfurter, registrierten die Beamten im letzten Monat 608 Fälle, in denen sich im Reisegepäck verbotene Mitbringsel fanden. Darunter auch zwei Katzen, eine Schweinehälfte, ein Spanferkel und ein Hundewelpe. Gackerndes Geflügel fanden sie nicht. Anders war das auf dem Flughafen in Düsseldorf: Dort trafen die Fahnder auf drei lebende Tauben. Solche Fracht sei aber äußert selten, betont Gero Heimroth vom Zoll.
Häufiger sind Varianten wie diese: Ein Australier wollte 23 Eier von geschützten Kakadu-Arten außer Landes bringen – und deponierte sie in seiner Unterhose. Die Schwarzmarktpreise sind enorm. Ein Palmkakadu, eine stark bedrohte Art aus Südostasien, „hat den Wert eines Kleinwagens“, sagt WWF-Artenschützer Volker Homes. Kein Wunder, dass 2004 allein in Deutschland 2.200 geschmuggelte Vögel beschlagnahmt wurden.
„Der Schmuggel ist nicht das Schlimmste“, glaubt jedoch Sandra Altherr von Pro Wildlife. Der legale Handel berge ein viel größeres Risiko. Denn jedes Jahr, so sagt sie, würden 1,75 Millionen Wildvögel wie Prachtfinken und Chinanachtigallen in die Europäische Union eingeführt. Viele Länder hielten die Quarantänevorschriften nicht ein. Der jüngste Vogelgrippefall in Großbritannien gibt ihr Recht. Bei einem toten Papagei aus Südamerika war am Sonntagabend der gefürchtete H5N1-Virus nachgewiesen worden.
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