: Besser als 0:1
Der VfL Wolfsburg und der FC Schalke 04 trennen sich torlos. Zumindest die drei Trainer sind damit zufrieden
WOLFSBURG taz ■ Nullnull? Wer von so einem Spiel nach Hause kommt, den schauen die Leute mitleidig an. Schlimmer ist offenbar nur ein Bundestagswahlergebnis ohne eine klar definierte Mehrheit. Im ZDF-Sportstudio platziert man so ein Spiel ohne Tore ans Ende des so genannten Fußballblocks. Zack, weg damit! Was soll die Menschheit damit? Aber es ist ja auch nicht einfach. „Nullnull“, brummelte etwa stellvertretend für viele Rudi Assauer. Der Schalker Manager stand am Eingang zum Kabinentrakt herum. Erst auf mehrfache Nachfrage analysierte er das Spiel in der Richtung, dass ein 1:0 für Schalke zwar besser gewesen wäre, ein 0:1 aber schlechter. Auch in der Mixed-Zone zuckten bei den Beteiligten die Schultern. Was soll man sagen? Das Stadion endlich mal voll, und dann ein Ergebnis, das zwar in Ordnung geht, aber … Zumindest Kevin Hofland war gar nicht amüsiert. „Ne“, sagte der seit Wochen stark agierende Wolfsburger Abwehrchef. „Das Niveau war nicht gut.“ Pause. „Oder fanden Sie es gut?“ Naja, das Spiel wurde sehr intensiv geführt und war taktisch interessant. In Wolfsburg hat man zuletzt schlechtere Spiele gesehen, miserable sogar, gegen Frankfurt (1:0) und Nürnberg (1:1).
Ach was, sagte Hofland, „das waren auch andere Gegner, die nur hinten drin standen“. Kurzum: Der Niederländer hat hohe Ansprüche. Er hätte im Speziellen die Müdigkeit der Champions-League-gestressten Schalker gern mit mehr Druck ausgenutzt. Und die Gefährdung der Wolfsburger Defensivarbeit durch Mängel in der Zentralstelle vor der Abwehr vermieden.
Es gibt aber zumindest drei Menschen auf diesem Planeten, die mit dem 0:0 richtig zufrieden waren. Da ist zum einen Michael Oenning, der Wolfsburger Co-Trainer, auf den sich die Aufmerksamkeit richtete, weil sein Chef Holger Fach wegen einer DFB-Strafe auf der Tribüne saß. „Ein ordentliches Spiel“, sah Oenning: „Machen wir uns nichts vor, Schalke hat das ganz gut gemacht.“ Stimmt. Schalke hatte alle Positionen gut belegt, wie Trainer Ralf Rangnick das nennt, kontrollierte das Spiel und presste bei aller Müdigkeit so engagiert, dass der von d’Alessandro hätte ausgehen müssende Wolfsburger Kombinationsfußball nicht zustande kam. Und in der Luft war selbst für die guten Kopfballspieler Klimowicz und Hanke nichts zu holen.
Rangnicks Ziel ist es, ein Fußballteam möglichst weitgehend zu Rangnick zu machen. Insofern passt ihm das Nullnull, weil die Profis in punkto „Wille, Engagement, Disziplin“ genauso agierten, „wie wir uns das vorgenommen hatten“, d. h.: wie er es vorgegeben hatte. Dass man die wenigen Chancen (speziell Kuranyis Pfostenschuss) nicht nutzte? Kann passieren, tat Wolfsburg (van der Heyden, Klimowicz) auch nicht. Dass das sechste Remis im zehnten Spiel den Abstand zum FC Bayern weiter vergrößert hat? Darauf geht der Trainer gar nicht ein und Assauer bis auf weiteres auch nicht.
Think positive: Schalke bleibt als einziges Team der Liga ungeschlagen und sieht manchmal schon richtig abgeklärt aus. Auch Holger Fach ist mit dem Saisonverlauf zufrieden. Der Punkt gegen Schalke summiert eine dreiteiligen Niveauprüfung (1:0 beim HSV, 0:2 bei Bayern) mathematisch zu vier Punkten, tabellarisch zu Rang 7 und analytisch zu dem Urteil: „Absolut okay.“ Wie immer geht im Fußball mit einem neuen Trainer ja alles von vorn los. Im Zeitalter nach Martin Petrov hat Fach die Bahnen, das Mittelfeld, die Systematik des Angriffsspiel und das Verhältnis zur Defensivarbeit neu justiert. „Die Jungs“, sagt er, „wissen inzwischen, wie ich mir das vorstelle, und setzen es hervorragend um.“ Gegen Schalke stellte er sich das so vor, dass man „nicht ins offene Messer läuft. Sonst kriegt man den Arsch voll.“ Und auch wenn ihm die Verletzung von Linksverteidiger Peter van der Heyden (evtl. Bänderriss) stört und ihm die heiklen Ballverluste in der Spieleröffnung nicht entgangen sind, die auch Hofland kritisierte: „Das ist gelungen.“ Womit das Nullnull von Wolfsburg einen echten Superlativ gefunden hat. Oder wann hat es das in der Fußballgeschichte schon gegeben: ein Spiel, nach dem drei Trainer zufrieden sind? PETER UNFRIED