: Ein Herausforderer für Lukaschenko
Die weißrussische Opposition nominiert einen Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen im Juni 2006. Trotz der beschworenen Einheit scheren einige Gruppen aus der Reihe und planen, eigene Kandidaten ins Rennen zu schicken
AUS MINSK MARTIN SCHÖN
Die wichtigsten weißrussischen Oppositionsgruppierungen haben Alexander Milinkewitsch auf ihrem „Kongress der Demokratischen Kräfte“ (KDK) zum gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten gewählt. Der parteilose 58-jährige Physiker siegte knapp vor dem Liberalen Anatol Ljabedka. Die Opposition beschwor ihre Einheit und ihren Willen, den autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko bei den Wahlen im Juni 2006 zu besiegen.
Milinkewitsch, Vorsitzender einer NGO, war in erster Linie von der nationalkonservativen „Weißrussischen Volksfront“, aber auch einigen kleinen Parteien unterstützt worden. Bereits im ersten Wahlgang war der Kommunist Jiri Kaljakin ausgeschieden; der ehemalige Parlamentspräsident Alexander Schuschkewitsch zog seine Kandidatur zurück.
Zum KDK waren Delegierte der Oppositionskoalition „Zehn Plus“ aus allen Landesteilen ausgereist. Knapp die Hälfte der 809 abgegebenen Stimmen entfielen auf Milinkewitsch. Dieser dämpfte nach seinem Sieg die Euphorie seiner Anhänger: „Wer Milinkewitsch auch sein mag, er wird nie siegen, wenn wir nicht unsere Kräfte vereinigen. Deshalb verspreche ich euch den Sieg nicht. Aber ich gehe mit euch bis zum Ende, ich gehe mit euch auf die Straße“.
Bereits vor der Wahl hatten alle Kandidaten verkündet, ein Sieg der Opposition werde vom Regime nicht anerkannt werden, man müsse ihn deshalb mit Straßenprotesten wie in der Ukraine erzwingen. Die Kandidaten hatten zudem eine Vereinbarung unterzeichnet, einander nach der Wahl zu unterstützen und sich über Demokratisierung des Landes geeinigt.
Die Redner geizten auf dem zweitägigen Kongress mit politischen Inhalten und konzentrierten sich auf patriotische Einigkeitsrhetorik. Fast alle Politiker von Frauenpartei bis Volksfront schlossen ihre Reden mit dem patriotischen Ausruf „Shyve Belarus!“ – „Es lebe Belarus“. Die Zuhörer antworteten „Shyve!“ – „Es lebe hoch!“. Einigkeit herrschte auch bei der Ablehnung gegenüber dem amtierenden Präsidenten. Lukaschenko, 1994 noch demokratisch gewählt, regiert seit 1996 praktisch als Alleinherrscher. Er hat sich sowohl Parlament als auch Gerichtsbarkeit gefügig gemacht und propagiert seine Politik über die allgegenwärtigen staatlichen Massenmedien. Milinkewitsch nannte dementsprechend sein Ziel für die Wahl im Juli 2006: „Wir müssen dem Präsidenten seine zaristischen Vollmachten nehmen.“
Neben Nationalisten, Kommunisten und Liberalen waren eine Vielzahl von Kleingruppen auf dem Kongress vertreten: Von der relativ einflussreichen Unternehmerpartei bis zu den unbedeutenden Grünen. Kritiker durften erst nach der Wahl an die Rednerbühne. Der Vorsitzende der größten Sozialdemokratischen Partei, Alexander Kosulin, kritisierte das Auswahlverfahren. Der Vorsitzende des Rates der weißrussischen Intelligenz, Wladimir Kolas, bemängelte, es habe nicht genug inhaltliche Diskussionen gegeben. Beide planen, selbst an den Präsidentschaftswahlen teilzunehmen.
Milinkewitsch stellte nach seiner Wahl klar, er wolle das Land wieder demokratisieren. Zum Verhältnis mit Russland sagte der designierte Präsidentschaftskandidat: „Wir haben mit unserem Nachbarn eine gemeinsame Geschichte, allerdings müssen unsere Beziehungen wieder auf der Basis unserer Souveränität und außenpolitischen Neutralität geführt werden.“