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RUSSLAND: PUTIN WILL KEINE DRITTE AMTSZEIT – UND KEINE REFORMENBis die Preise fallen

Drei Stunden nahm sich Russlands Präsident gestern Zeit für Fragen, die dem Volk unter den Nägeln brennen. Das TV-Zwiegespräch mit dem Souverän folgt einem sich seit vier Jahren wiederholenden Ritual. Wie bei solchen Handlungen üblich, stehen die Zeremonienmeister fest und Überraschungen passen nicht in dieses Format. So war es nicht verwunderlich, dass der Kremlchef eine dritte Amtszeit als Präsident, die die Verfassung nicht vorsieht, erneut für sich ausschloss. Wenn erst einmal ein Eingriff in Verfassung und Rechtsbasis vorgenommen sei, so Putin, könnte dies der Destabilisierung Tür und Tor öffnen. So weit hat der Präsident Recht.

Doch was heißt Stabilität? Ist Russland unter der Ägide Wladimir Putins tatsächlich weniger störanfällig geworden? Wer sich mit der Darstellung der Realität in den gelenkten Staatsmedien begnügt, mag dies bejahen. Hinter der Fassade sieht es anders aus. Die Stabilität, deren sich der Kreml rühmt, steht auf tönernen Füßen. Wirtschaftlich beruht sie auf den exorbitanten Einnahmen aus Öl- und Gasgeschäften. Sobald aber die Preise fallen, schwindet auch die Sicherheit: Statt die Extraeinnahmen aus diesem Rohstoffexport in Reformen zu stecken, hat Moskau in der zweiten Amtsperiode Putins keine grundlegende Strukturpolitik mehr in Angriff genommen. Die wenigen Einzelmaßnahmen dienten der Zentralisierung der Macht und der Entsorgung demokratischer Restbestände. Auch Tschetschenien hat der Kreml nicht politisch oder mit Geld befriedet, sondern er hat Lunte gelegt – an den gesamten Nordkaukasus.

Dass es den Menschen in Russland besser geht, ist unbestritten. Gerade die subjektive Wahrnehmung, dass das Leben etwas einfacher geworden ist, verleitet dazu, den Reformdruck zu ignorieren. Die Politingenieure im Dienste des Kreml haben ganze Arbeit geleistet. Nicht wenige Bürger nehmen das Blendwerk eines Russland, das endlich das Schlimmste hinter sich hat, für bare Münze. Und solange dieser Glaube funktioniert, kann Putin von der Unnötigkeit einer dritten Amtszeit reden. KLAUS-HELGE DONATH

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