NEUE REGIERUNG IN DER UKRAINE: DER NIEDERGANG DER HELDEN IN ORANGE : In Kiew brechen alte Zeiten an
In der Ukraine sieht derzeit alles ganz nach alten Zeiten aus. Die Wahl Juri Jechanurows zum Regierungschef lässt den ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko wohl erst einmal aufatmen. Denn eine erneute Ablehnung im Parlament, der „Werchowna Rada“, hätte die Kiewer Regierungskrise weiter verschärft und auch Juschtschenko selbst, der in der Bevölkerung stetig an Zustimmung verliert, empfindlich beschädigt.
Der Preis für diesen Sieg war allerdings zu hoch. Schließlich erreichte Juschtschenko die Zustimmung zu seinem Kandidaten nur mit Hilfe seines erbitterten Gegners bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen November, Wiktor Janukowitsch. Und auch die Tatsache, dass Abgeordnete nach der ersten Abstimmung massiv unter Druck gesetzt wurden, erinnert eher an finsterste Kutschma-Zeiten denn an die Bereitschaft der Machthaber zu demokratischen Reformen.
Der Pakt mit dem Widersacher – von Juschtschenko unter Kutschma oft genug vorexerziert – ist den Menschen in der Ukraine nur schwer zu vermitteln. Ohnehin fühlt sich ein Großteil derer, die im vergangenen Herbst durch wochenlange Demonstrationen die Wiederholung der Präsidenten-Stichwahl erzwangen, schon jetzt durch ihren Helden Juschtschenko verraten und sammeln sich hinter Julia Timoschenko, der alten und neuen Ikone der Opposition. Gerade im Hinblick auf die Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr hätte es Timoschenko jetzt in der Hand, zur Führerin einer Opposition zu werden, die diesen Namen verdient. Stattdessen macht ihr erfolgloser Flirt mit Juschtschenko, der ihr doch wieder Regierungspöstchen sichern sollte, eins klar: auch sie hat Wert und Bedeutung einer Opposition als unerlässlichen Bestandteil von Demokratie nicht begriffen.
Somit sind die Helden und Hoffnungsträger der orangenen Revolution auf dem besten Wege, sich immer weiter zu diskreditieren. Nur sollten sie gewarnt sein: nach den Ereignissen vom vergangenen Herbst werden die Ukrainer das nicht mehr unwidersprochen hinnehmen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. BARBARA OERTEL