: Was ist links, Claudia Roth?
Was ist links? Links ist emanzipatorische Haltung, die soziale Probleme gerecht, tolerant und solidarisch lösen will. Es geht um Autonomie, um die Kritik von Macht, um den Kampf für ein selbst bestimmtes Leben.
Links steht in der Aufklärungstradition, nicht in der Tradition der Dunkelmänner. Überhaupt nicht links ist eine Politik, die mit populistischen Mitteln auf Stimmenfang geht. Linke Politik rechnet mit komplexen Problemen und mutet dies auch ihren Wählern zu.
Links ist eine kritisch-historische Haltung, sie ist offen für Lernprozesse. Gerade hier sehe ich Defizite auf der Linken, besonders beim Gerechtigkeitsbegriff.
Viele Linke glauben immer noch, dass es mit Verteilungsgerechtigkeit getan sei. Wir haben Verteilungsprobleme, die gelöst werden müssen, das ist richtig. Es geht aber auch um Geschlechtergerechtigkeit und um Generationengerechtigkeit. Eine Politik, die blind Schulden macht und immer mehr Atommüll aufhäuft, ist ungerecht gegenüber den nachfolgenden Generationen.
Linke Politik denkt über Landesgrenzen hinaus. Sie kämpft für Klimaschutz und gerechte Globalisierung. Und sie ist sensibel für kulturelle Differenz. Wir brauchen keine falsche Vereinheitlichung, keine Leit- und Monokultur, sondern eine Politik der Anerkennung, die Unterschiede schützt und den Dialog der Kulturen ermöglicht. Links sein heute ist der Kampf für die Ausgestaltung der multikulturellen Demokratie.
Sind Sie links? Ja, natürlich. Und es ist meine feste Überzeugung, dass die Grüne Partei die moderne, wertorientierte und emanzipative Kraft ist, die die besten Traditionen der Linken in humane und zukunftsweisende Politik übersetzt.
Claudia Roth (50) ist Bundesvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen