: Sex, Gewalt und Politik
Die APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands) beabsichtigt „die totale Rückverdummung der Menschheit“. Ihr unappetitlicher Wahlwerbespot zeigt heute schon, worauf das hinauslaufen würde
VON STEFAN KUZMANY
Es ist verbürgt, dass mindestens eine Zuschauerin sich beinahe übergeben hätte. Gerade war die Fernsehdokumentation über die makellose Karriere Franz Beckenbauers vorbei, gleich sollten die „Tagesthemen“ beginnen – aber jetzt tauchte nie Gesehenes auf den Bildschirmen der deutschen Fernsehzuschauer auf. Um 22.28 Uhr war im ersten Fernsehprogramm ein Kanzlerkandidat zu sehen, wie er in keinem TV-Duell anzutreffen wäre. „Maden der Welt, schaut auf dieses Land!“, brüllte Wolfgang Wendland in die Kamera, dann folgte, was die Rechtsabteilung des WDR so beschreibt: „Eine mit Alkohol und Drogen sowie Sex und Gewalt durchsetzte Orgie unter Beteiligung von Jugendlichen und Kindern.“ Kurz: der Wahlwerbespot der APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands).
Nun ist man als WahlbürgerIn zurzeit einiges gewöhnt. So nimmt man sie hin, die Duelle und die Analysen und die Umfragen und die Steuerkonzepte und die immer gleichen Gesichter mit den immer gleichen Phrasen. Unterhaltsame Höhepunkte sind da die Wahlwerbespots vor allem jener Parteien, die es nach aller Wahrscheinlichkeit nicht schaffen werden, in den Bundestag einzuziehen. Meist sind sie unfreiwillig komisch, um Seriosität und technische Brillanz bemüht – tatsächlich aber schnell zusammengeschusterte Machwerke voll unfreiwilliger Komik. Und seien es nun die Grauen Panther („Dies war ein Wahlwerbespot der ‚Grauen Panther‘ – ‚Die Grauen‘ – Grau“) oder die Republikaner ( „Vorfahrt für Deutschland“), man konnte den Inhalt der Spots belächeln oder sich darüber aufregen, einen Anlass dafür, den Kindern die Augen zu verschließen vor dem, was da gezeigt wurde, lieferte keiner.
Die Wahlwerbung der APPD sei hingegen ein ernster Grund zur Sorge um das Wohl der Jugend, befand die ARD und lehnte die Ausstrahlung mit der Begründung ab, der Spot verstoße „gegen die Menschenwürde“ und sei „offensichtlich geeignet, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden“ – und so etwas darf laut Jugendmedienschutz-Staatsvertrag nicht gesendet werden.
Die APPD, juristisch offenbar gut beraten, klagte gegen diese Ablehnung – und bekam letztlich tatsächlich Recht vor dem Oberverwaltungsgericht Münster. Die Richter hatten das Werk betrachtet, es zwar als geschmacklos und wenig politisch bewertet, aber jugendgefährdend? Das nicht. Also musste der Spot auf Sendung gehen.
Immerhin kann man der Anarchistischen Pogo-Partei nicht vorwerfen, sie würde falsche Versprechungen machen oder sich in der Öffentlichkeit anders präsentieren, als ihre Funktionäre tatsächlich denken. Die APPD tritt ein für die „ultimative und totale Rückverdummung der Menschheit“ – und diesem Ziel kommt sie mit ihrer Wahlwerbung tatsächlich einen großen Schritt näher. Es wird Hundefutter verspeist, es werden unschöne Körper entblößt, es werden Dinge kaputt gemacht, eine Injektionsnadel wird in einen Arm gejagt, es werden Stimmzettel zerstört, und dazu wird unartikuliert gebrüllt. Wohlgemerkt: Solche Zustände will die APPD nicht etwa abschaffen, sondern zum allgemeinen Standard erheben.
Am Ende tritt noch einmal der sich offenbar absichtlich grenzdebil gebende Kanzlerkandidat Wendland vor die Kamera und brüllt die Schlagworte des Parteiprogramms: „Balkanisierung – Rückverdummung – Nie wieder Arbeit – APPD wählen!“
Ob die Partei ihre Vorgabe von 0,5 Prozent der Stimmen tatsächlich erreichen wird, darf bezweifelt werden. In diesem Fall wollen Wendland und seine Anhänger die Wahlkampfkostenrückerstattung restlos versaufen. Vorher allerdings bekommen sie noch einmal die Chance, sich vor einem Millionenpublikum zu präsentieren: Am kommenden Montag will die APPD um 21.40 Uhr im ZDF auf Sendung gehen. Das ZDF weigert sich bisher. Der Rechtsstreit läuft.