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Archiv-Artikel

Ein Ozonloch, so groß wie Europa

Obwohl der Höhepunkt des antarktischen Winters noch gar nicht erreicht ist, hat das Ozonloch Rekordausmaße erreicht. Trotzdem rechnen die Forscher damit, dass es in 50 Jahren verschwunden ist – dank weltweitem Verbot von FCKWs

VON NICK REIMER

So groß wie Europa: Das Ozonloch über dem Südpol hat gigantische Ausmaße erreicht. Bereits jetzt umfasse es zehn Millionen Quadratkilometer, ermittelte die Europäische Weltraumagentur ESA. „Das ist vor allem deshalb ungewöhnlich, weil wir den Höhepunkt des südpolaren Winters noch vor uns haben“, sagt Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Normalerweise erreicht das Ozonloch erst Mitte bis Ende September sein Maximum. Größer als jetzt war es nur 1996 und 2000 – weshalb die Forscher einen neuen Rekord befürchten.

Und doch ist das hier eine Erfolgsgeschichte, die Hoffnungen machen kann: 1987 hatte sich im Montrealer Abkommen die Welt verpflichtet, keine Ozonkiller mehr zu produzieren. Hauptschädiger sind die früher vor allem in Kühlschränken oder Klimaanlagen verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW).

Die 180 Staaten ratifizierten nicht nur das Protokoll von Montreal – sie hielten sich auch daran. In den 90er-Jahren wurde zudem das Abkommen mehrfach verschärft, lediglich den unterentwickeltsten Ländern noch die Nutzung der FCKWs gestattet. „Hätte die Menschheit damals ebenso laviert wie später beim Kioto-Protokoll zum Klimaschutz, hätten wir heute in Deutschland ein Problem“, sagt Forscher Rex: Hautkrebs.

Ozon als Schutzschild gegen die gefährlichen Eigenschaften der Sonnenstrahlen – durch die Zerstörung der Ozonschicht gelangt mehr UV-Licht auf die Erdoberfläche, und das löst schwere Hautschäden aus. Je nach Szenario – vom Nichthandeln bis zum Zögern – wurden auch schon die krebstoten Deutschen berechnet: über Hunderttausend im nächsten Jahrzehnt.

So aber bleibt das Ozonloch eine geografisch begrenzte Angelegenheit an den Polen. Das hängt mit der Kälte zusammen. Um die Ozon-Moleküle (O3) in der Stratosphäre (15 bis 25 Kilometer hoch) zu zerstören, so erklärt Experte Rex, brauche es minus 78 Grad Celsius plus FCKW. Am Nordpol ist es etwas wärmer als in der Antarktis, weshalb hier die Ozonschicht zwar stark angegriffen ist und oft auch aufreißt, ihre Zerstörung aber etwas langsamer vonstatten ging.

Tatsächlich führt das Ozonloch in der Antaktis zu einer Schädigung des Ökosystems. Die Wissenschaftler wissen allerdings noch nicht genau wie. „Klar ist, dass etwa Meereslebewesen einem hohen Anpassungsdruck ausgesetzt sind und sich verändern“, so der Potsdamer Experte Rex. Wie solche Änderungen ins Gleichgewicht des Ökosystems eingreifen, ist aber noch völlig unklar.

Die Ergebnisse basieren auf Messungen des Atmosphärensensors Sciamachy, die seit 1995 regelmäßig durchgeführt werden. Danach ist die Ozonschicht weltweit insgesamt dünner, als sie sein müsste. Deshalb warnt die Weltgesundheitsorganisation auch weiterhin vor ungeschütztem Sonnenbaden, das „Hauptursache für die Erkrankung an Hautkrebs bleibt“.

Nach Erkenntnissen von US-Forschern hat sich ihr Zustand aber stabilisiert. Nicht nur das: Nach Auswertung von Satellitendaten haben die Forscher an einigen Stellen sogar wieder eine Zunahme registriert, wird von der neuen Ausgabe des Journal of Geophysical Research berichtet. „Gerade noch einmal gut gegangen“, sagt auch Markus Rex, „wenn nichts mehr dazwischenkommt, könnten die Ozonlöcher in 50 Jahren Geschichte sein.“