: Polizei klappt langsam das Visier hoch
Bald ist Schluss mit Prügel-Polizisten: Als erstes Bundesland will Berlin nun Einsatzgruppen der Polizei kennzeichnen. Trotzdem müssen Demonstranten weiterhin raten, wer in der Kampfmontur steckt, denn bis zur Einzelkennung ist es noch weit
VON PLUTONIA PLARRE
Seit über 25 Jahren pochen Bürgerrechtler auf die Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Doch gegen den Widerstand von Polizeiführung und Gewerkschaften war bisher nichts zu machen. „Wir sind kompromisslos dagegen“, verkündete der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg, noch, als das Vorhaben Anfang 2002 Eingang in die rot-rote Koalitionsvereinbarung fand.
Wie sich die Zeiten ändern. 8.000 von 16.000 Berliner Vollzugspolizisten haben sich an ihre Uniform längst ein Namensschildchen gesteckt. Ganz freiwillig und ohne Zwang. Aber auch das ungleich schwierigere Ziel, die Einsatzhundertschaften mit einer persönlichen Kennung individualisierbarer zu machen, ist näher gerückt. Am kommenden Montag wird Polizeipräsident Dieter Glietsch im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses dazu eine entsprechende Geschäftsanweisung vorlegen. Die Aufnäher und Aufkleber für Fahrzeuge, Helme und Uniformen mit den entsprechenden Buchstaben und Zahlen sind nach Informationen der taz bereits bestellt.
Die Forderung, die bei Demonstrationen zum Einsatz kommenden geschlossenen Einheiten zu kennzeichnen, wurde nicht ohne Grund so lange von Bügerrechtsgruppen erhoben: Eine individuelle Kennzeichnung erleichtert die Identifizierung von Schlägern in Uniform extrem. Vor allem von solchen, die mit heruntergeklapptem Visier, inmitten identisch aussehender Kollegen, bislang kaum Enttarnung fürchten mussten.
Die geschlossenen Einheiten in Berlin bestehen aus rund 2.200 Beamten. Ihren Dienst verrichten sie in einer der insgesamt 22 Einsatzhundertschaften. Ein Blick in die Organisationsstruktur verdeutlicht, was sich nun ändern wird: Jede Hundertschaft untergliedert sich in drei Züge, jeder Zug besteht aus bis zu 40 Beamten. Kleinste Einheit sind die Gruppen – bis zu acht Beamte – die zusammen in einem Fahrzeug sitzen.
Bislang war es so, dass nur jede Hundertschaft und jeder Zug über eine Kennung verfügte. Nun soll auch die Achtergruppe ein eigenes Zahlenmerkmal bekommen. Das geht aus der Geschäftsanweisung von Polizeipräsident Glietsch hervor, die der taz vorliegt. Berlin ist damit das erste und einzige Bundesland, dass eine offizielle Kennzeichnung für die Einsatzhundertschaften einführt. Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass die anderen Bundesländer und die Bundespolizei nach den Wahlen im Herbst nachziehen werden. Inoffiziell sind zwar schon die meisten Einsatzhundertschaften gekennzeichnet. Die auf die Uniform und Helme geklebten Kreise, Dreiecke und Streifen sind für Außenstehende jedoch nicht zu deuten.
„Ein Schritt in die richtige Richtung“, kommentierte Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen, das Vorhaben, „aber es geht nicht weit genug“. Noch in der Gruppe könne sich ein Schläger gut verstecken. Auf Hilfe von Polizeikollegen bei der Aufklärung von Gewaltakten gegen Demonstranten könnten diese aber nach wie vor nicht setzen, auch wenn sich das Klima zwischen Demonstranten und Polizei in den letzten Jahren positiv gewandelt habe, meint er.
Rechtsanwalt Hans-Joachim Ehrig, langjähriger Streiter für die Kennzeichnungspflicht, spricht bei Glietschs Vorhaben ebenfalls von einer „deutlichen Verbesserung“, meint aber: „Das kann nicht der Endpunkt sein.“ Danach sieht es auch gar nicht aus. Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der Polizei, Uwe Hundt, spricht von einem „Entwicklungsprozess“. Die nächste Diskussion werde sich um die Einführung unverwechselbarer Personalnummern, wiesie in den USA und England üblich sind, drehen.