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Archiv-Artikel

wer hat angst vorm rot geschminkten mann? von WIGLAF DROSTE

In Deutschland ist eine weitere sozialdemokratische Partei gegründet worden. So weit, so öde – weder vermag ich die Freude darüber zu teilen, noch verstehe ich das aufgeregte Geschrei dagegen. Um den großen deutschen Demokraten Michael „Schumi“ Schumacher zu zitieren: „Wir leben in einer Demokratie, und jeder kann frei entscheiden, welche Sportart er machen möchte.“ Das sagte Schumacher im Juli 1994 der zu Recht längst verblichenen Wochenpost. Sein Diktum ist die gültigste mir bekannte Definition dessen, was in Deutschland Demokratie heißt.

Überhaupt sind es Sportler, die, vielleicht bedingt durch ihre Distanz zum Wort, zur Politik noch Worte finden, wo andere längst sprachlos geworden sind. „Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt“, verlangte Mehmet Scholl schon vor Jahren. Je länger man insbesondere über das zauberhaft heimtückische „solange es noch Bäume gibt“ nachdenkt, desto besser wird der Aphorismus. In diesen Wörtern ist alles, was es über die Grünen substanziell zu sagen gibt.

Die Nachrufe auf die Linkspartei, die gerade Morgenluft wittert, werden dereinst nicht freundlicher ausfallen – zu offensichtlich ist, dass sich hier alles nur um das Bedürfnis nach Sozialkitsch dreht und nicht um den Bedarf an wirklicher sozialer Veränderung. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine ölen wie Pat & Patachon durch eine Welt, in der sie als komische Gestalten auf den ersten Blick vergleichsweise sogar positiv auffallen. Einer genaueren Betrachtung halten die beiden Talkshow- und Boulevard-gestählten Halbglatzen aber nicht stand, dazu sind sie zu flach. Immerhin war Lafontaine der einzige westdeutsche Politiker, der früh sagte, dass die Bundesrepublik sich an der Wiedervereinigung finanziell verschlucken und es folglich mit den von Helmut Kohl großspurig auspropagandierten „blühenden Landschaften“ im Osten überhaupt nichts werden würde. Lafontaine hat selbstverständlich Recht behalten – jeder, der damals nicht national besoffen war, konnte das sehen. Es waren aber nicht sehr viele, die beim vollends geschmacksfernen deutsch-deutschen Krakeel abseits stehen wollten.

Lafontaine einen „Populisten“ zu nennen, ist billig – sind denn Gerhard Schröder und Guido Westerwelle nicht nur etwas geworden, weil sie es überzeugend verstehen, den Dümmsten der Dummen kompatibel zu sein? Und wäre Angela Merkel nicht unglaublich gern populistisch, wenn sie nur wüsste, wie das geht?

Wir leben in einer Demokratie, und jeder kann frei entscheiden, welche Sportart er machen möchte: So ist es auch mit der Linkspartei – sie macht ordentlich mit, ändern wird das nichts, und manchem gibt es ein schönes Gefühl. Die von links kommende Kritik aber, und das ist wirklich dumm, bleibt ausgerechnet Sahra Wagenknecht überlassen, der Lordsiegelbewahrerin des gestärkten Bügelblusenmarxismus. Bei ihrem Anblick mag zwar älteren linken Herren aus dem Konkret-Milieu noch einmal halb steif zumute werden – wer aber Frau Wagenknecht zuhört, muss sie zweifellos jener großen Zahl von Deutschen zurechnen, die jedem fremd sind und bleiben müssen, der die deutsche Sprache liebt.