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Archiv-Artikel

herr tietz macht einen weiten einwurf Gequirltes Fracksausen

FRITZ TIETZ über die Herren Mohren und Emig – und die Übertragung von Tanzturnieren im Fernsehen

Auffällig war sie schon, diese vergleichsweise hohe TV-Präsenz, die eine so randständige Randsportart wie das Tanzen über Jahre hinweg verbuchen konnte. Vor allem an Sonntagen zappte man zeitweise ständig in irgendwelche Tanzturniere. Ich kann aber nicht behaupten, deshalb jemals einen Verdacht gehegt zu haben. Schon gar keinen der Sorte Lug und Trug, wie er jetzt durch die Herren Emig und Mohren ruchbar wurde. Es war mir jedoch immer ein ziemliches Rätsel, warum manche Sportsendung diesen so tanzaffig herumsportelnden Foxtrotteln derart viel Sendezeit einräumten.

Wie kann das angehen? So fragte ich mich jedes Mal, wenn man da wieder eine dieser Rotten schrillst aufgetakelter Hupfdohlen im immer viel zu zickezackig dargebotenen Tanzverbund mit ihren smoke betuchten Kavalieren über das Parkett irgendeines Kur- oder Kongresszentrums zappeln, twisten, rabackeln, schwuchteln oder schieben sah? Wen, um Himmels willen, interessiert denn so ein Tanzkäs mit Musik? Wer guckt sich bloß dieses gequirlte Fracksausen an? Diese linkisch ausschreitenden Dancer mit ihren auf Salonlöwe geschraubten Mienen, die Stehärsche stets akurat zusammengekniffen, als steckten entsicherte Eiergranaten drin. Diese aufgedonnerten Tanzfrauen auch, die fingerdick bespachtelten Gesichter zu einem Dauergrinsen hochtoupiert, dazu ausgestattet mit diesen furchteinflößend kräftigen Waden, nicht selten ähnlich stramm gestählt wie die Oberschenkel eines Profipedaleurs. Bei Gott, aber ein gefälliger Anblick ist, zumindest nach meinem Empfinden, etwas anderes.

Aber was zählen schon meine geschmäcklerischen Vorlieben bei der Gestaltung des deutschen Fernsehsportprogramms? Nichts – wie man zum Beispiel schon am Haarschnitt des „Sportstudio“-Moderators Michael Steinbrecher erkennen kann. Deutsches Sportfernsehen richtet sich nun mal nicht nach meinen Präferenzen. Folglich liegt auch nahe, was ich immer dachte, wenn ich in die TV-Übertragung einer Tanzsportveranstaltung geriet und dieser – teils aus professioneller Neugier, teils aus einer lustvollen Faszination am Ekelhaften – zumindest so lange beiwohnte, bis es nicht mehr ging. Ich dachte nämlich: Komisch, aber man kennt weit und breit niemanden, dem es ein Vergnügen ist, ein Standardtanzturnier im Fernsehen zu sehen. Man kennt nicht mal jemanden, der das von einem anderen wüsste. Es müssen aber, gemessen an der hohen Sendefrequenz, doch einigermaßen viele sein, die sich daran delektieren. Andernfalls träten ja wohl die Einschaltquotenkommissionen der Sender auf die Programmbremse.

Eine naive Vorstellung, wie die derzeit auf Hochtouren laufenden Ermittlungen verschiedener Korruptionskriminaler zeigen. Die große Tanzturnierdichte speziell im Hessischen Fernsehen war offenbar vor allem das Ergebnis einer ebenso dubiosen wie einträglichen Kumpelei. Auch andere Randsportarten scheinen häufig nur dank ausgemachter Schurkereien ins TV gehievt worden zu sein, und im Nachhinein scheint mir das schlüssig. Denn so wenig mir bekannt ist, dass sich jemand ernsthaft für den Tanzsport begeistert, so wenig habe ich erlebt, wie einer – so das vor wichtigen Fußballspielen oder attraktiv besetzten Damentennismatches schon mal geschieht – plötzlich aufspringt und zum Fernseher hetzt, weil er unbedingt dieses Reitmasters oder jenes Ruderrennen sehen möchte.

Ich kenne allerdings auch niemanden, der dies bei anderen und durchaus als Hauptsportarten gehandelten Disziplinen täte. Schwimmen zum Beispiel. Von so Ranzsportarten wie Golf ganz zu schweigen. Ich will niemanden voreilig verdächtigen. Aber angesichts manch stundenlanger Sendezeit, die ausgerechnet für so spannungsspröde Übertragungen von Golfturnieren verschwendet wird, macht man sich in diesen korrupten Tagen so seine Gedanken.