: Feinstaub rieselt ins Sommerloch
Die Luftbelastung durch die Minipartikel hält sich derzeit in Grenzen. Umweltschützer reklamieren das als ihren Erfolg, verweisen aber auch auf die sommerliche Wetterlage. Trotzdem haben bereits 14 Städte gegen die EU-Richtlinie verstoßen
von SEBASTIAN SEIFFERT und BEATE WILLMS
Feinstaub? Na und? Viel Echo fand EU-Umweltkommissar Stavros Dimas nicht, als er dieser Tage ankündigte, dass er im September eine Feinstaub-Richtlinie II vorlegen wolle. Die Belastung der Luft durch die winzigen Partikel, die Atemwegserkrankungen bewirken und die Lebenszeit verkürzen können, sind derzeit offenbar kein Thema.
Zwei Gründe dafür drängen sich auf: Einer davon ist laut Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe der Erfolg der Anti-Feinstaub-Kampagnen. Entgegen ersten Prognosen, Fahrverbote seien in deutschen Städten vor 2008 nicht durchsetzbar, sperren heute schon diverse Kommunen Straßenzüge für den Schwerlastverkehr, seit Anfang Juli etwa gilt in München ein Transitverbot für Lkw. Dass dafür aber immer wieder gerichtliche Aufforderungen nötig waren, stützt Reschs These von der Notwendigkeit der Kampagnen. Das Ergebnis ist allerdings positiv: „Die Lebensqualität ist besser geworden“, sagte Resch der taz.
Der andere Grund ist banaler: In der heißen Jahreszeit ist weniger Feinstaub in der Luft. So genannte Inversionswetterlagen, bei denen sich Luftmassen sehr langsam austauschen und Schadstoffe schnell angereichert werden, gibt es vor allem im Frühjahr und im Herbst.
Werner Reh, Feinstaubexperte beim Umweltverband BUND, rechnet deshalb damit, dass es in zwei Monaten wieder losgeht: Bis Jahresende dürften mindestens 70 Städte die EU-Feinstaub-Richtlinie verletzt haben, schätzt er. Nach dieser darf ein Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an maximal 35 Tagen im Jahr überschritten werden.
Laut Ute Dauert vom Umweltbundesamt sind mindestens 14 Städte schon jetzt so weit. Die genaue Zahl weiß sie nicht, weil einige Kommunen bei Messungen und Meldungen schludern. So fehlt auf der aktuellen Liste (www.env-it.de/luftdaten/trsyear.fwd) ausgerechnet Stuttgart. Dabei war die Neckarstadt die erste, die die 35-Tage-Grenze überschritten hatte – und die Ende Mai gerichtlich zur Aufstellung eines Aktionsplans verdonnert wurde. Mehr als 70-mal lag die Feinstaubkonzentration hier über dem EU-Grenzwert.
Nicht alle Kommunen tun sich so schwer. Nach Angaben von BUND-Experte Reh haben rund 40 Städte Aktionspläne aufgestellt, die schon vor der 35. Überschreitung der Grenzwerte einsetzen, um den endgültigen Verstoß gegen die Richtlinie zu verhindern. Ausgangspunkt ist immer die Identifikation der Hauptquellen, die außer im Verkehr auch in Industrie- oder Gewerbeemissionen zu finden sein können. Oder, wie im nordrhein-westfälischen Hambach, im Braunkohleabbau.
In Bremen, wo der Feinstaubgrenzwert in diesem Jahr schon 45-mal überschritten wurde, hat der kommunale Verkehrsexperte Ralf Werse die Baustellen im Zusammenhang mit der geplanten Stadtautobahn als Problem ausgemacht. Sie werden nun stärker beaufsichtigt. Außerdem sollen die Behörden in Zukunft bevorzugt Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro-4 anschaffen.
Prinzipiell gelten außer Rußpartikelfiltern Verkehrsverlagerungen, die Reduktion des Schwerverkehrs, Straßensanierung, Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie ein verbesserter Verkehrsfluss als wirksame Maßnahmen. Nassreinigungen dagegen haben nach Einschätzung von Achim Lohmeyer, der im Auftrag verschiedener Landesämter mehrere Studien zur Luftreinigung erstellt hat, „keinen relevanten Einfluss“. BUND-Experte Reh spricht von „Quatsch“. Für eine nennenswerte Wirkung müsse man bei der Nassreinigung sehr große Mengen Wasser einsetzen, was teuer und ökologisch bedenklich sei. Auch wegen des Lärms: Bei feuchten Straßen erhöht sich der Krach bei gleichem Verkehrsaufkommen um 3 Dezibel.
Viel mehr verspricht sich Reh von der geplanten, aber bislang nicht durchgesetzten Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge nach Schadstoffwerten, die zielgenauere Fahrverbote erlauben würde. Im zweiten Schritt müssten die Fahrzeuge dann entsprechend mit Rußpartikelfiltern ausgerüstet werden. Und hier ist der BUND-Experte zuversichtlich – auch im Falle eines Regierungswechsels: Zumindest in ihrem Programm setze auch die Union auf entsprechende Maßnahmen.