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Archiv-Artikel

Ausstieg aus dem Ausstieg ist teuer

Die Union will die Laufzeit der Atommeiler verlängern. Doch das dürfte scheitern: Viele Reaktoren müssten aufwändig nachgerüstet werden. Denn die meisten AKWs halten noch nicht einmal 30 Jahre. Außerdem fehlt inzwischen das Personal

VON BERNWARD JANZING

Es darf gewählt werden im September – und das grüne Imageprojekt Atomausstieg steht vor der Demontage. Die Union hat angekündigt, dass sie die Reaktorlaufzeiten von jetzt 32 auf 40 Jahre verlängern will. Doch Experten mahnen zur Besonnenheit bei diesem Ausstieg aus dem Ausstieg.

„Das Thema wird ziemlich naiv diskutiert“, sagt Atomexperte Gerhard Schmidt vom Öko-Institut in Darmstadt. Die Vorstellung sei völlig abwegig, dass man die Reaktoren ohne viel Aufhebens 40 Jahre am Netz lassen könne. „Wenn man bei den Sicherheitsbestimmungen keine Abstriche macht, werden bei den Altreaktoren erhebliche Nachrüstungen fällig.“ Die Folge: Laufzeitverlängerungen werden häufig teuer und unrentabel. Der Wissenschaftler erinnert daran, dass das Kraftwerk Stade im Jahre 2003 nicht deshalb vom Netz ging, weil die Grünen den Atomkonsens durchgesetzt hatten. Der Meiler war schlicht unwirtschaftlich, schließlich war er schon knapp 32 Jahre alt.

Für entsprechend unrealistisch hält Schmidt auch den Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten: Günther Oettinger (CDU) hatte vorgeschlagen, die Laufzeiten der Atommeiler nicht ohne Gegenleistung zu verlängern – die Stromkonzerne sollten die Hälfte der zusätzlichen Gewinne in erneuerbare Energien investieren. „Da wird es nicht viel zu verteilen geben“, prognostiziert Schmidt. Denn der Betrieb der Anlagen werde keinesfalls billiger, wenn sie älter würden.

Dass alte Reaktoren nicht nur eine Freude für ihre Betreiber sind, kann auch Mycle Schneider belegen. Der unabhängige Berater für Energie- und Atompolitik in Paris hat internationale Statistiken ausgewertet: Weltweit gingen bisher gut 100 Reaktoren vom Netz – sie kamen im Durchschnitt auf eine Laufzeit von 20,7 Jahren. Nur jeder achte Reaktor sei länger als jene 32 Jahre gelaufen, die man in Deutschland beim Atomausstieg ansetzt. Die meisten Abschaltungen erfolgten im Alter von 25 bis 26 Jahren. Man darf annehmen: Die jeweiligen Betreiber wussten, warum.

Entsprechende Stille herrscht daher bei den betroffenen Unternehmen in Deutschland. Die Stromkonzerne, wie auch ihr Lobbyverein Atomforum, erklären stets aufs Neue, dass sie nichts zu dem Thema sagen wollen: Es gelte der Atomkonsens. Punkt. Für lange Laufzeiten sind vor allem Kommunalpolitiker, die ihren Atommeiler vor Ort halten wollen und auf Gewerbesteuern hoffen. Aber sie müssen die notwendigen Nachrüstungen auch nicht bezahlen.

„Leichtfertig“ gehe die Politik mit dem Thema um, sagt Atomexperte Schmidt. Es werde permanent unterschätzt, „was man sich damit einkauft, wenn man die Laufzeiten verlängert“. So kämen auf die Atomaufsicht mit den Altreaktoren völlig neue Herausforderungen zu – zumal es an entsprechendem Personal fehlt. Schon der jetzige Ausstieg erfolgt eher zu langsam als zu schnell, denn ein Mangel an Experten ist längst absehbar. „Es gibt die einschlägigen Studiengänge oft gar nicht mehr, man lebt vom Bestand“, sagt Wissenschaftler Schmidt. Die heutigen Atomingenieure werden vielfach auch nach ihrer offiziellen Pensionierung noch arbeiten müssen.

Denn für den Ingenieursnachwuchs schien es wenig attraktiv, sich auf Atomreaktoren zu spezialisieren, da die Technik auslaufen sollte. Fast ein wenig hämisch hat Greenpeace bereits vor einigen Jahren ein Bild veröffentlicht, das die komplette Gruppe aller Kerntechnikstudenten aus Jülich zeigte. Darauf zu sehen waren gerade einmal fünf junge Männer.

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