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Archiv-Artikel

Es ist genug für alle da!

Die Politik der vergangenen 30 Jahre hat die Armut-Reichtum-Schere weiter auseinander getrieben. Wenn künftig nur noch 20 Prozent der Arbeitenden für die herkömmliche Wirtschaft gebraucht werden, muss endlich Arbeit anders gedacht werden

von HARDY KRAMPERTZ

Ist das Ende der Arbeitsgesellschaft angebrochen? 30 Jahre Massenarbeitslosigkeit sprechen eigentlich eine deutliche Sprache, dennoch fehlen Politikern anscheinend Rezepte, die Menschen wieder in Arbeit zu bringen und ihnen damit eine zumindest partielle Existenzsicherung zu garantieren. Auch die „ruhige“ Hand von Kanzler Schröder war keine Hilfe. Die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze sind gescheitert unter der Maßgabe, dass der Sozialstaat behalten und Arbeit geschaffen werden soll. Im Gegenteil wurden im Namen der Standortsicherung Unternehmen milliardenschwere Steuergeschenke gemacht und der Sozialstaat geschliffen, weil er nicht mehr zu finanzieren sei.

Weltweite Billigstlöhne werden es ebenfalls nicht richten, sondern führen nur zu weiteren prekären Arbeitsverhältnissen. Im Gegenteil, alle Politik der letzten Dezennien hat die Armut-Reichtum-Schere weiter auseinander getrieben, und selbst für Menschen mit Arbeit haben prekäre Lebenslagen zugenommen. Für Arbeitsplätze im kulturellen oder sozialen Bereich wird die Förderung gestrichen. Ganz en passant wird der Abbau sozialer Rechte weltweit betrieben und werden rechtliche Standards wie Kündigungsschutz und Umweltgesetze zurückgedrängt oder unterlaufen.

Immer mehr Arbeit an Maschinen: Das ist gut so

Es lässt sich nicht von der Hand weisen: Die auf Vollzeit ausgerichtete Erwerbsarbeit reicht nicht mehr für alle Menschen aus. So simpel diese Tatsache ist, so wichtig scheint es zu sein, sie dennoch nicht auszusprechen. Das wäre die Bankrotterklärung neoliberaler Politik. Die einfachere Losung der Politiker lautet, auch wenn sie nicht funktioniert: Mehr und länger arbeiten bei gleichzeitig geringerem Einkommen. Wie soll sie auch funktionieren? Die Schüssel mit Suppe wird doch auch nicht voller, wenn ich noch mehr Gäste einlade und ihnen sagen, sie sollen bitte auch schneller essen.

Rationalisierungen, technologische Innovationen und die „digitale Revolution“ haben mehr Arbeitsplätze vernichtet als neue geschaffen. Die Produktivkraft ist zudem heute um ein Vielfaches effizienter und kann weiter gesteigert werden. Immer mehr Arbeit wird von Maschinen übernommen und durch neue Technologien ersetzt. Dies ist gut so. Es ist besiegelt: Das in der Ära des rheinischen Kapitalismus ausgeprägte „Normalarbeitsverhältnis“ ist überholt. Vielleicht ist es übertrieben, schon jetzt davon auszugehen, dass in weiterer Zukunft nur etwa 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ausreichen werden zur Warenproduktion und Erstellung hochwertiger Dienstleistungen, um damit die Weltwirtschaft in Schwung zu halten. Dies ist aber keine leere Vision, und es braucht daher andere als die hilflosen Konzepte von Politikern und Wirtschaftsvertretern, die am Dogma vom Wirtschaftswachstum und weiteren Deregulierungen festhalten. Darum ist das erste deutsche Sozialforum der Ort, an dem die Zivilgesellschaft Alternativen diskutieren kann und muss.

Am nötigsten ist jetzt eine wahre Existenzsicherung

Es ist unumgänglich: Eine „Neudefinition“ der Arbeit muss vorgenommen werden! Wenn Arbeit zur Existenzsicherung nicht mehr im ausreichenden Maße vorhanden und diese darüber hinaus selten genug sinnstiftend ist, wenn zugleich die gesellschaftlich geleistete Arbeit und der so geschaffene Reichtum Not und Armut ohne Mühe beseitigen könnten, dann kann es Sinn machen, den Rest vorhandener Arbeit anders zu verteilen und die Arbeitszeit zu verkürzen. Am allernötigsten ist jetzt eine Existenzsicherung, die den Namen auch verdient.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es seit zwei Jahren im Attac-Schwerpunkt „Genug für alle“ und im Netzwerk Grundeinkommen diskutiert wird, ist ein Konzept zur Absicherung der Menschen und stellt auch die Frage nach dem Stellenwert der Arbeit in der Gesellschaft neu. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, kombiniert mit Mindestlöhnen, soll die materielle Lebensgrundlage aller hier lebenden Menschen sichern und ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Tätigkeiten in sozialen, kulturellen und auf Gemeinwohl ausgerichteten Sektoren der Gesellschaft werden aufgewertet. Nicht die häufig sinnentleerte Arbeit, sondern die kreative, selbstbestimmte Tätigkeit ist Ziel gesellschaftlicher Veränderung. Dies ist der Weg in eine freie und emanzipatorische Gesellschaft, zu einer menschenwürdigen Globalisierung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und gesellschaftliche Teilhabe und die Ausweitung der Demokratie ermöglicht.

Hardy Krampertz ist im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac