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Archiv-Artikel

bewegung als vorbild Machtverhältnisse nicht vergessen

Der Zwiespalt wird dieser Tage besonders deutlich: Die Linken fühlen sich in Aufbruchstimmung, denn die neu versammelte Linkspartei aus PDS und WASG kommt laut Umfragen auf den dritten Platz im kommenden Bundestag. Trotzdem schwenkt die Mehrheit im Lande nicht von Schröder nach links, sondern wählt nach den gleichen Umfragen Merkel und Westerwelle. Und die neue Regierung wird uns dann schon zeigen, wo der Kapitalist den Most holen lässt.

KOMMENTAR VON REINER METZGER

Wie sollen Engagierte, wie soll die soziale Bewegung umgehen mit diesem Mehrheitsverhältnis? Es bleibt nur das geduldige Stärken der Basis, gewiss. Aber das ist in Deutschland traditionell besonders mühsam. Außer der Gründung von Attac wirkt seit vielen Jahren kaum eine basisdemokratische Organisation in die Mehrheitsgesellschaft hinein. Und auch bei Attac lässt die Präsenz in den so genannten bürgerlichen Medien wieder nach.

Die sozialen Bewegungen in Deutschland sind meist zu sehr im Studentischen angesiedelt. Nach kurzem Engagement ziehen viele AktivistInnen von der Uni weiter in den Beruf oder in die Familie. Das schwächt nicht nur die Zahl der Protestierenden, sondern vor allem die Breite des Protests, die Kompetenz, die Verankerung der Themen in der viel zitierten Bevölkerung. Teile der Gewerkschaften besinnen sich angesichts des Durchmarschs der Arbeitgeber derzeit und finden vielleicht zu einer Rolle als Träger und Organisierer von Alternativen. Aber es fehlt einfach noch an pragmatischen Aktivisten aller Milieus.

Viele haben das erkannt und suchen Wege der Vernetzung. Ein Sozialforum in Deutschland ist dafür eine gute Gelegenheit. Für die Vielen in der Gesellschaft, die dem Dogma „Es gibt keine Alternative“ anhängen, sollte das Forum quasi eine Ausstellung der Möglichkeiten sein, zeigen, dass man mit scheinbar privaten Problemen auch gemeinschaftlich umgehen kann – ob Arbeitslosigkeit, Stress im Job oder Kindererziehung. Und dass auch gegen große Projekte lokaler Widerstand möglich ist – wie im Wendland bei Antiatom oder im Nordwesten Brandenburgs der Widerstand gegen das Bombodrom in der Wittstocker Heide. Nur wenn die Mehrheit Alternativen vorgeführt bekommt, ändert sie ihre Haltung. Und bei der Mehrheit der Aktiven liegt die Macht.

Reiner Metzger ist stellvertretender Chefredakteur der taz