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Archiv-Artikel

Ermittlungen gegen Wahlsieger in Iran

Österreichischer Staatsanwalt ermittelt gegen Teherans Bürgermeister Ahmedinedschad, wegen Mordes 1989 in Wien

WIEN taz ■ Ab und zu sei es gut, wenn ein europäischer Rechtsstaat eine symbolische Geste setze, so der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz gestern. Er meinte damit die Aussichten, den designierten iranischen Präsidenten Mahmud Ahmedinedschad und Ex-Staatschef Haschemi Rafsandschani zwecks Einvernahme von österreichischen Gerichten vorladen zu lassen. Die iranische Demokratiebewegung würde das als wichtiges Signal verstehen.

Bereits im April 1997 sah es ein Berliner Amtsgericht in seinem Urteil im Mykonos-Prozess als erwiesen an, dass Rafsandschani politische Morde im Ausland in Auftrag gegeben habe. Ahmedinedschad wird von einem nach Frankreich geflüchteten Zeugen schwer belastet, 1989 bei einem Dreifachmord an kurdischen Parteiführen in Wien eine Schlüsselrolle gespielt zu haben. Am 13. Juli 1989 wurde der kurdisch-iranische Oppositionspolitiker Abdulrahman Ghassemlou nebst zwei Mitarbeitern in einer Wiener Wohnung erschossen. Ahmedinedschad soll auf der Straße mit einer Maschinenpistole gewartet haben, um einzugreifen, falls die Attentäter scheitern sollten. Diese setzten Pistolen mit Schalldämpfern ein, die in einem Abfallcontainer gefunden wurden.

Für den Informanten, den Pilz „Zeuge D“ nennt, interessiert sich auch die österreichische Staatsanwaltschaft. Sie hat am Montag auf Veranlassung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismus Ermittlungen aufgenommen. Pilz sprach im Mai in Versailles mit dem Zeugen D. Laut telefonischer Rückfrage von Pilz soll dieser zu einer Aussage bereit sein, wenn er in Frankreich bleiben dürfe und sein Schutz sichergestellt sei. Sein schriftlicher Bericht ist so präzise und enthält derart viele Details des Tathergangs, dass ihn Pilz und die österreichischen Behörden für glaubwürdig halten.

Auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann ein Instrument eines US-Geheimdienstes sei, der den künftigen Präsidenten Irans belasten wolle, hält der grüne Sicherheitssprecher für gering.

Zeuge D, ein iranischer Journalist, beruft sich auf einen der Attentäter, General Nasser Taghipoor. Dieser habe sich ihm vor vier Jahren anvertraut, weil er fürchtete, ermordet zu werden. Er kam ums Leben – angeblich ein Tauchunfall. Da in Österreich Reise- und Meldedaten nach sieben Jahren vernichtet werden müssen, sei es schwierig nachzuweisen, dass Ahmedinedschad am fraglichen Tag in Wien war, gibt Pilz zu. Da er mit Diplomatenpass eingereist sein soll, ließen sich eventuell in Österreichs Botschaft in Teheran noch Aufzeichnungen finden. Unbestritten ist, dass der Überraschungssieger der Präsidentenwahlen Mitglied der Qods-Pasderan war, jenes Geheimdienstes der Revolutionswächter, der für Mordeinsätze im Ausland ausgebildet wurde. RALF LEONHARD