: „Live 8 erfüllt seinen Zweck“
Der Audioslave-Musiker Tom Morello meint, man solle nicht Bob Geldofs Initiative, sondern die Politik von George Bush kritisieren
INTERVIEW THOMAS WINKLER
taz: Was halten Sie von Sail 8?
Tom Morello: Was ist das?
Gestern segelten Prominente mit ihren Yachten eine Regatta über den Ärmelkanal, um für die Entschuldung Afrikas zu werben.
Großartig, wenn jemand solche Ideen hat. Es ist natürlich eine durchgeknallte Art, seine Unterstützung für die Dritte Welt kundzutun, aber es erfüllt seinen Zweck, wenn Menschen, die keine Yacht besitzen, nun besser Bescheid wissen über die G 8. Aber vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, die Yachten wären Richtung Süden gesegelt und hätten Lebensmittel und Medikamente nach Afrika gebracht.
Wird Live 8 in die Geschichte der Popmusik eingehen?
Für mich war das vor allem eine politische Veranstaltung, eine großartige Gelegenheit, eine weltweite, demokratische Antwort zu geben auf die heimlichtuerische Art und Weise, mit der die G 8 ihren Geschäften nachgeht. Wir outen die Verantwortlichen.
Sie finden das Konzept also sinnvoller als bei der Erstauflage, als Geld gesammelt wurde?
Vor 20 Jahren gab es einen konkreten Anlass und den Versuch, zu helfen. Diesmal geht es ums Prinzip, darum, dass die reichsten Länder dieses Planeten die Dritte Welt im Klammergriff halten, darum, dass die Politik dieser Länder durch den Schuldendruck im Sinne der multinationalen Konzerne gestaltet wird.
Viele Probleme in Afrika sind hausgemacht.
Aber wir haben nur Einfluss auf unsere eigenen Regierungen. Ich habe nun mal keine Möglichkeit, in Zaire irgendetwas zu verändern. Mein Vater ist Kenianer und durch meine Besuche weiß ich natürlich, dass es dort große Probleme mit Korruption gibt. Aber dieses System wird durch den Status quo am Leben erhalten, weil die G-8-Staaten von einer korrupten Elite profitieren.
Deutschland versucht zu verhindern, dass die Entwicklungshilfe verdoppelt wird. Sind Sie deshalb in Berlin aufgetreten?
Nein, das wussten wir nicht. Wir wollten bei Live 8 spielen, egal wo und wann, und Berlin passte am besten in unseren Zeitplan. Am selben Abend mussten wir noch in Belgien auftreten.
Gab es keine bandinternen Diskussionen, ob man an Live 8 teilnehmen sollte?
Nein, da waren wir uns einig.
Das überrascht, denn Ihre frühere Band Rage Against The Machine war berüchtigt für ihre Streitkultur.
Bei Rage Against The Machine ging es immer vor allem um Solidarität. Zugegeben nicht unbedingt immer zwischen den vier Bandmitgliedern, aber ein Ereignis wie dieses hätte in die politische Praxis von Rage Against The Machine gepasst und passt nun in die politische Praxis von Audioslave.
Sie teilen also nicht die Kritik an Bob Geldof, dass die Auswahl der Künstler Ausdruck einer „kulturellen Apartheid“ ist?
Ich kann dem Argument folgen, aber ich finde es falsch, sich auf diesen Punkt zu konzentrieren und Bob Geldof dafür zu kritisieren, dass nicht genug afrikanische Musiker auftreten, anstatt George Bush dafür zu kritisieren, dass Millionen Menschen aufgrund der Armut in der Welt sterben. Live 8 ist eine unglaubliche Leistung von Geldof.
Haben Sie keine Probleme mit Bands zu spielen, mit denen Sie sonst niemals die Bühne teilen würden?
Bei Benefizveranstaltungen kann es niemals um musikalische Gründe gehen, sondern nur um den Willen, aufzutreten gegen oder für ein gewisses Thema. Wenn man an solch einer Veranstaltung teilnimmt, sollte man sich elitäre Ansprüche abschminken. In Philadelphia spielte Toby Keith, ein ultrakonservativer Country-Superstar. Dessen politische Überzeugungen könnten dem Anliegen nicht konträrer gegenüberstehen. Ich bin mir sicher, er wäre gegen den Schuldenerlass, wenn er kapieren würde, worum es eigentlich geht.
Die Inhalte von Live 8 werden also unter Musikern nicht diskutiert?
Es gibt eine grundsätzliche Begeisterung unter Musikern, teilzuhaben an einem historischen Ereignis, das Afrika helfen wird. Ansonsten aber glaube ich, dass der Großteil der Musiker auch nicht besser Bescheid weiß über die Probleme auf dieser Welt als der Rest der Bevölkerung und viele ebenso dazugelernt haben wie das Publikum.
Was halten Sie von der Kritik, dass manche Band nur aufgetreten ist, um selbst populärer zu werden?
Ich glaube, viele sind aufgetreten, weil das erste Live Aid ein wichtiges Ereignis in ihrer eigenen Jugend geworden ist und sie nun selbst Teil der Geschichte werden wollen.
Wie wichtig war Live Aid damals für Sie?
Ich kann mich gut erinnern. Ich musste arbeiten. Mann, habe ich mich geärgert, dass ich Black Sabbath nicht sehen konnte. (lacht)