: Für Flüchtlinge nur Tiefkühlkost
Weil die Kühlung ihres Lagers ausfiel, müssen AsylbewerberInnen im niederrheinischen Rees auf frische Lebensmittel verzichten. Betreuerin und Grüne fordern für sie Bargeld statt Fresspakete
VON NATALIE WIESMANN
Seit einer Woche bekommen die160 Flüchtlinge und AsylbewerberInnen in der niederrheinischen Kleinstadt Rees keine frischen Lebensmittel mehr. Das Obst, Gemüse und Brot, das sie vergangenen Mittwoch in dem speziell für sie eingerichteten Shop erhalten sollten, war durch den Ausfall eines Kühlaggregats vergammelt. Erst morgen werden wieder frische Nahrungsmittel geliefert. Bis dahin gibt es nur Tiefkühlkost.
Marga Roth, die ehrenamtlich die AsylbewerberInnen in Rees betreut, ist schockiert über den Vorfall. „Die Situation ist untragbar, die Menschen können sich nicht eine Woche lang von eingefrorenen Hähnchen und Spinat ernähren.“ Seit drei Jahren erhalten die Flüchtlinge in Rees und anderen Kommunen im Kreis Kleve für ihre Einkäufe kein Bargeld mehr, sondern können nur zwei Mal in der Woche in diesem Shop Lebensmittel erhalten. „Ich war schon immer gegen dieses System“, sagt die Rentnerin. Sie habe wegen ihrer Beschwerden auch schon Hausverbot auf dem Gelände bekommen.
Roth moniert zudem die Unterbringung der Flüchtlinge: „Sie sind von der Stadtbevölkerung abgeschnitten, ihre Hütten sind zweieinhalb Kilometer von der Stadt entfernt.“Außerdem seien auf dem Gelände der ehemaligen Mülldeponie Schadstoffe im Boden gefunden worden.
Auch Helmut Wesser, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat, will sich mit der Flüchtlingspolitik in seiner Stadt nicht abfinden. „Die Panne von letzter Woche hat System.“ Weil die Verkäuferin im Urlaub sei, könnten die Betroffenen zurzeit nur an einem Wochentag einkaufen. Das sei auch der Fall, wenn auf den Verkaufstag ein Feiertag fiele. „Das ist eine unerträgliche Situation für die Familien“, sagt er. Auch er lehnt den Spezial-Laden für Asylbewerber prinzipiell ab. „Für die Frauen ist das Einkaufen oft die einzige Möglichkeit, unter Menschen zu kommen.“ Weil der Shop auf dem Wohngelände eingerichtet worden sei, würden viele der BewohnerInnen überhaupt nicht mehr das Gelände verlassen.
„Die sollen ja auch nicht integriert werden“, rechtfertigt Andreas Mai, Fachbereichsleiter für Soziales bei der Stadtverwaltung, die Strategie. Die meisten der Bewohner seien abgelehnte Asylbewerber, die nur nicht abgeschoben würden, weil sie ihre Papiere zurückhielten. „Das sind Touristen.“ Er sei mit der Einführung des Shopsystems sehr zufrieden. Seine Stadt halte sich an das Asylbewerberleistungsgesetz: „Wir sollen Sachleistungen herausgeben.“ Mit dem System sei einem „massenhaften Missbrauch“ der Riegel vorgeschoben worden.
Der Verfall der Lebensmittel in der vergangenen Woche sei aufgebauscht worden, so Mai. Er habe sich am Freitag persönlich ein Bild der Situation vor Ort gemacht. Die Bewohner hätten Verständnis für die Panne gehabt. Sie hätten es nicht als Problem angesehen, sich von Tiefgefrorenem zu ernähren.
Der Grüne Stadtrat Wesser war am gleichen Tag bei den Flüchtlingen und erhielt einen anderen Eindruck: „Einer der Bewohner hat mir seine drei vertrockneten Brötchen gezeigt, von denen er sich in den vergangenen Tagen ernähren musste“, sagt er. Er selbst habe niemanden dort angetroffen, der mit der Situation zufrieden gewesen sei. „Der Vertreter der Stadt hat wohl nur diejenigen gefragt, die sich nebenbei noch etwas dazu verdienen“, so Wesser. Diese hätten sich dann selbst die nötigen Lebensmittel gekauft. Andere Flüchtlinge hätten die 40 Euro, die ihnen monatlich als Taschengeld zur Verfügung stünden, für Nahrung ausgegeben. „Während viele Kommunen in Deutschland zur Bargeld-Ausgabe zurückgekehrt sind, feiert die Stadt Rees ihr System als Erfolg“, sagt er.