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Archiv-Artikel

Atomare Schurkenstaaten

Die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages ist gescheitert. Die Verantwortung tragen die USA und Iran. Der Abrüstung droht dauerhafter Schaden

Die USA und Iran haben ihr Ziel erreicht: Eine Kritik an ihrer Atompolitik fand nicht statt

Nach vier Verhandlungswochen scheiterte am vergangenen Freitag die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages. Damit vergaben die Mitgliedstaaten leichtfertig die Gelegenheit, bessere Maßnahmen gegen die Verbreitung von Atomwaffen zu vereinbaren und die nukleare Abrüstung voranzutreiben. Die Verantwortung für das Versagen der internationalen Gemeinschaft tragen die neuen Schurkenstaaten der internationalen Diplomatie, die USA und Iran. Im Ergebnis werden internationale Regelungen gegen die Verbreitung von Atomwaffen geschwächt.

Ganz unverhohlen wollen die USA sich von ihren (ohnehin schwachen) Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung befreien. Washingtons Veto gegen jede Erwähnung der Abrüstungsversprechen, die sein Amtsvorgänger Clinton bei den beiden letzten Überprüfungskonferenzen 1995 und 2000 eingegangen war, verhinderte drei Wochen lang die Einigung auf eine Tagesordnung. Besonders allergisch reagierten US-Diplomaten auf Vorschläge, den Atomteststopp-Vertrag endlich in Kraft zu setzen. 1995 hatten die fünf im Vertrag anerkannten Atomwaffenstaaten Großbritannien, China, Frankreich, Russland und USA, versprochen, für immer auf Atomtests zu verzichten.

Auch ihr zweites Versprechen aus dem Jahr 1995, nämlich einen Vertrag auszuhandeln, der ein Ende der Produktion von Uran und Plutonium für Atomwaffen festschreibt, haben die Kernwaffenstaaten nie eingelöst. Viele Nichtkernwaffenstaaten auf der Überprüfungskonferenz fühlen sich daher von den Atomwaffenstaaten getäuscht. Sie hatten der Verlängerung des Vertrages vor zehn Jahren nur zugestimmt, weil die Atomwaffenbesitzer damals konkrete Abrüstungsschritte versprochen hatten. Die offene Absage der USA an diese Versprechen kombiniert mit US-Vorwürfen des Vertragsbruchs gegenüber Iran vergifteten das Klima auf der Tagung von Anfang an.

Dabei bestand unter den Vertretern der 188 Mitgliedstaaten weitgehende Einigkeit, dass eine Reform des 35 Jahre alten Atomwaffensperrvertrages dringend notwendig ist. Eine Ursache für diese Einigkeit war das unbeirrte Festhalten Irans an seinem lange teilweise geheim gehaltenen Atomprogramm. Viele Mitglieder vermuten, dass Teheran dieses Programm auch zur Kernwaffenherstellung verwenden will. Der Vertrag aber garantiert den Mitgliedern das „unveräußerliche Recht“ der friedlichen Nutzung des Atoms, etwa zur Energiegewinnung. Das Abkommen bietet bisher keine Handhabe, Programme wie das iranische zu beschränken. Wie soll der militärische Missbrauch solcher Anlagen verhindert werden?

In New York lagen gute Vorschläge auf dem Tisch, wie die internationale Kontrolle verbessert werden kann. Der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed al-Baradei hatte beispielsweise vorgeschlagen, Anlagen, in denen atomwaffenfähiges Atommaterial hergestellt werden kann, nur noch international zu betreiben. So wäre der Missbrauch durch einen einzelnen Staat weitgehend ausgeschlossen.

Viele Staaten forderten zudem, den Abschluss eines Zusatzprotokolls über bessere Kontrollen ziviler Kernanlagen zur Voraussetzung für den Zugang zu Atomtechnologie zur Energiegewinnung zu machen. Doch der Iran, assistiert von Ägypten, wehrte sich mit Händen und Füßen gegen jegliche Kritik an seinem Nuklearprogramm – und blockierte damit auch eine Einigung auf Reformmaßnahmen bei den Atomkontrollen.

Auch eine Überarbeitung der Ausstiegsklausel des Atomwaffensperrvertrages ist dringend. Auf Nordkoreas Austritt im Januar 2003 hatte die internationale Staatengemeinschaft hilflos reagiert. Viele Staaten – darunter auch Deutschland – hatten daher Vorschläge ausgearbeitet, um die Hürden für mögliche weitere Austritte zu erhöhen. Insbesondere die Rolle des Sicherheitsrats bei der Beratung von Vertragskündigungen sollte gestärkt werden. Ein Staat, der aus dem Vertrag austritt, müsste zivile Atomanlagen aufgeben oder zumindest unter internationaler Aufsicht belassen.

Lange Zeit schien auf eine Einigung auf solche Maßnahmen möglich. Am vorletzten Tag der Konferenz aber gingen auch diese Vorschläge im Streit über Verfahrensfrage zwischen den USA und Ägypten unter. So legte der brasilianische Präsident der Konferenz, Sergio Duarte, am vergangenen Freitag ein Abschlussdokument vor, das keinerlei inhaltliche Aussage enthielt. Angesichts der Herausforderungen für die Nichtverbreitung kommt dies einem Offenbarungseid der internationalen Gemeinschaft gleich. Der nuklearen Abrüstung droht dauerhafter Schaden. Und gegen die Verbreitung von Atomwaffen kann international weiterhin nur mit den vorhandenen Mitteln vorgegangen werden.

Die USA und Iran hingegen dürfen zufrieden sein. Sie haben ihr Ziel erreicht und jegliche Kritik an ihrer Atompolitik im Abschlussdokument vermieden. Solange die USA und andere Atomwaffenstaaten Fortschritte bei der Abrüstung blockieren, werden die anderen Mitgliedstaaten ihre Bemühungen verdoppeln müssen, die nukleare Abrüstung voranzubringen.

Das Abschlussdokument kommt einem Offenbarungseidder internationalen Gemeinschaft gleich

Das Ziel ist klar: Atomwaffen müssen international geächtet werden. Nur wenn Kernwaffen keine Symbole nationaler Großmachtfantasien mehr sind, kann die Verbreitung von Atomwaffen dauerhaft gestoppt werden. Zu einer solchen Ächtung von Kernwaffen und damit zur Stärkung des Atomwaffensperrvertrages kann Deutschland und kann Europa einen zentralen Beitrag leisten. In der Bundesrepublik sowie in den nichtnuklearen Nato-Staaten Belgien, Italien, Niederlande und Türkei lagern immer noch rund 500 US-Atombomben.

In Deutschland sind nach Expertenschätzungen 150 amerikanische Atomwaffen auf den Luftwaffenstützpunkten Ramstein und Büchel stationiert. Ein Teil dieser Waffen würde im Ernstfall von deutschen Piloten mit deutschen Tornadobombern ins Ziel gebracht. Dieses System der nuklearen Teilhabe muss beendet, die US-Atomwaffen müssen aus Europa abgezogen werden. Sie erfüllen keinen Zweck, weder politisch noch militärisch. Eine Aufkündigung der nuklearen Teilhabe würde den USA zudem klar signalisieren, dass Deutschland mit der amerikanischen Atomwaffenpolitik nicht einverstanden ist.

Letztendlich gibt Deutschland durch seine Beteiligung an der nuklearen Teilhabe der Bush-Regierung Schützenhilfe, auch für Projekte wie die Entwicklung von „mini-nukes“ und „bunker bustern“. Im Vorfeld der Konferenz hatte Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Struck zugesagt, die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland in der Nato zum Thema zu machen. Gelegenheit dazu ist auf dem nächsten Treffen der nuklearen Planungsgruppe am 9. und 10. Juni in Brüssel. Klare Signale der verbündeten Nichtatomwaffenstaaten gegen die Atomwaffenpolitik der USA fehlten in New York. Nach dem Scheitern der Überprüfungskonferenz sind sie wichtiger denn je. OLIVER MEIER