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Archiv-Artikel

ayurveda, ist noch tee da? von WIGLAF DROSTE

Vorbildlich still und schweigsam ist die Pflanze, allenfalls raschelt sie mal ein bisschen herum. Anders als das Tier winselt und maunzt die Pflanze nicht, hinterlässt auch keine Tretminen auf dem Trottoir, und das Beste ist: Weil die Pflanze nicht Gassi geführt werden muss, wird man auch ihrer Besitzer nicht öffentlich ansichtig. Wer einen Rosmarin auf dem Balkon hat, muss ihn niemals von seinen Gästen wegzerren und keuchend behaupten, der wolle ja nur spielen. Kurz: Die Pflanze geht einem nicht auf den Sack, dafür soll man sie loben und sie hegen.

Der erste Verdacht gegen die Pflanze erhob sich, als Franz Beckenbauer in den Neunzigerjahren in Interviews zu behaupten begann, er wolle „wiedergeboren“ werden, und zwar „als Pflanze“. Das passte auf unschöne Weise ins Lebensgerüst dieses ölglatten Mannes: in einem Leben schon für tausend nerven, und dann aber unbedingt wiederkommen wollen, wenn auch in pflanzlicher Gestalt. Gibt es Bäume, die „Schaumermal“ sagen und für Mobiltelefone werben? Falls ja, so möge man zügig und unbarmherzig die Axt anlegen.

Von nahezu beckenbauerischer Geisteskraft war auch die Packungsbeilage zum „Himmlischen Glücks Tee“, den ich im Bioladen kaufte. Getränke sind oft langweilig, Kaffee hört nach der vierten Tasse am Tag auf, noch wirklich zu schmecken, Wasser ist gut, nennt aber eine gewisse Fadheit sein eigen, Erdbeer- und Ananassaft sind köstlich, aber selbst dieser Genuss erschöpft sich irgendwann. Wer die notwendige Aufnahme und Zufuhr von Flüssigkeit nicht als freudlose Pflichtübung gestalten will, muss für Abwechslung sorgen. So kam mir der „Himmlische Glücks Tee“ ins Haus.

Trinkbar ist das Gemisch aus Ingwer, Kardamom, Zimt, Nelken und anderen Pflanzen – wer aber liest, was er da zu sich nimmt, kommt nicht ohne eine gewaltige Dosis Esoterik davon. „Hin und wieder verlieren wir Menschen den Kontakt zu unserer eigenen Seele. Dann passiert es, dass wir gar nicht wissen, warum wir so traurig sind“, liest der Glücksteetrinker – und wird wirklich traurig über den Gratiszinnober, der so klingt, wie es sich anfühlen muss, wenn einem Pfarrer Jürgen Fliege die Hand auf den Arm legt.

Wenn man erst mal angefangen hat mit dem Lesen, will man auch wissen, wie die Geschichte weitergeht. „Die inneren Botschaften der Pflanzen erinnern uns daran, dass unser Seelengrund sich immer in einem Zustand heiterer Gelassenheit befindet. Folgen wir ihren Botschaften, zeigen sie uns die Sonne hinter den Wolken.“ Ich schaute nach draußen: keine Wolke weit und breit.

Der Geist allerdings, der es vorzieht, nicht mit Lebenshilfe beseppelt zu werden, spürte die Wolken hinter der religiös aufgeladenen Sonne und verdüsterte sich. Der nächsten Schlag ließ nicht lange auf sich warten: „Diese wunderbare ayurvedische Kräuterkomposition baut uns wieder auf. Wir schmecken die Wärme eines glücklichen Sommertages. Das macht uns Mut und Lust auf neue Taten.“ Daran war etwas Wahres – langsam bekam ich wirklich Lust, etwas zu tun. Man könnte den Werbetexter vermöbeln gehen – und anschließend die Wärme eines glücklichen, unverschwendeten Sommertages in sich spüren.