piwik no script img

Archiv-Artikel

Obrigkeitsstaat Bettina Gaus über die Forderung nach Rauchverbot im Auto

Wer raucht, gefährdet seine Gesundheit, verhält sich rücksichtslos, ist undiszipliniert – und leistet einen unschätzbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden. Worüber sich die Leute auch sonst streiten mögen: Zumindest beim Thema Rauchen ist sich eine überwältigende Mehrheit darin einig, dass Nikotingenuss geächtet werden muss. Raucher raus aus den Büros, aus Gaststätten, aus öffentlichen Gebäuden. Ist ja recht.

 Wenn’s zur Harmonie beiträgt und außerdem vielen das wohlige Gefühl verschafft, als Nichtraucher der bessere Mensch zu sein, dann spricht nichts gegen die Verachtung der Nikotinabhängigen. Es gibt schlimmere Formen der Diskriminierung. Und schließlich ist Rauchen ja tatsächlich schädlich und eine Belästigung.

 Aber der Wunsch nach gemeinsamen Feindbildern sollte nicht den Blick trüben, wenn der Staat sich in Angelegenheiten einmischt, die ihn nichts angehen, und bürgerliche Rechte beschneidet. Die Forderung nach einem Rauchverbot im Auto, die Abgeordnete mehrerer Parteien erhoben haben, ist Ausdruck einer obrigkeitsstaatlichen Haltung.

 Verkehrsminister Manfred Stolpe zufolge gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg für die These, dass Rauchen am Steuer die Unfallgefahr erhöht. Wer dennoch für ein entsprechendes Verbot im Auto plädiert, ist offenbar der Meinung, dass es für die Einschränkung individueller Rechte keiner zwingenden Begründung bedarf, solange man auf den Beifall derjenigen hoffen kann, die nicht von der Reglementierung betroffen sind. Das nennt man Populismus.

 Wenn sich diese Sichtweise durchsetzt, dann sind dem Wunsch nach staatlicher Regelung der Privatsphäre kaum noch Grenzen gesetzt. Sollte nicht Musik im Auto verboten werden, weil sie einen aggressiven Fahrstil fördern kann? Muss nicht auch Rauchen in der Wohnung untersagt werden, weil es bereits zu Zimmerbränden gekommen ist? Ließe sich die gesunde Ernährung von Kindern durch spontane Kontrollbesuche in Deutschlands Küchen verbessern? Was für ein Feld von Möglichkeiten eröffnet sich, sobald der Damm erst einmal gebrochen ist! Und wäre das nicht außerdem eine herrliche Ablenkung von ernsthaften Problemen, die sich leider der Regelung zu entziehen scheinen?