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Archiv-Artikel

Kröten einzäunen und Fahrräder bewachen

Was ist sinnvolle und „zusätzliche“ Arbeit in Deutschland? Eine Tagung in Berlin versuchte, Antworten zu finden

BERLIN taz ■ Die Anekdote erntete Lacher: In Hamburg hätten Männer in 1-Euro-Jobs vor einem Mädchengymnasium Fahrräder bewacht, „damit niemand die Luft rauslässt“, erzählte Arnd Schwendy von der Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen. Es ist offenbar nicht einfach, 1-Euro-Jobs einzurichten, die der Privatwirtschaft keine Konkurrenz machen und gleichzeitig sinnvoll sind. Wie schwierig der Balanceakt ist, zeigte sich kürzlich auf einer Tagung mit 100 gemeinnützigen Trägern, zu der drei Beschäftigungsinitiativen in den SPD-Fraktionssaal im Berliner Reichstag eingeladen hatten.

125.000 Ein-Euro-Jobs gibt es bislang bundesweit, 2.100 davon in Dortmund. „Bei uns dürfen maximal 15 Prozent dieser Arbeitsgelegenheiten im Grünbau-Bereich angesiedelt sein“, sagte Martina Fischer, Bereichsleiterin im Jobcenter Dortmund-Nord. Die Kontingentierung nimmt den privaten Arbeitgebern im Garten- und Landschaftsbau die Angst vor der Billigkonkurrenz. Die 1-Euro-Jobber in der Stadt ackern als Fahrer für Behinderte, bei der Stadtreinigung oder frieden auch die Schutzgebiete von Kreuzkröten ein.

Nur in seltenen Fällen werden die 1-Euro-Jobs als Druckmittel angewandt, „um die Arbeitswilligkeit zu testen“, schilderte Fischer. Bei jüngeren Leuten müsse man allerdings „viel Überzeugungsarbeit“ leisten, um sie in diese Maßnahmen zu bringen.

„Es muss ein Wahlrecht auch für die Träger geben“, erklärte Andreas Koch vom Dortmunder Sozialbetrieb „Grünbau“. Unmotivierte Erwerbslose, die im Vorstellungsgespräch ausführlich auf ihre Rückenprobleme hinweisen, werden von Grünbau nicht beschäftigt. Die Träger können sich die Leute aussuchen, denn die Nachfrage nach den Arbeitsgelegenheiten übersteigt das Angebot, obwohl es nur 1,50 Euro die Stunde zusätzlich zum Arbeitslosengeld II gibt und die Jobs meist auf sechs bis zwölf Monate befristet sind.

In Dresden ackern 150 Ein-Euro-Jobber in der Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsgesellschaft QAD. Die Leute sammeln, waschen und bügeln gebrauchte Kleidung und reparieren alte Elektrogeräte, um diese dann an Arme weiterzugeben. Teilweise wurden die alten ABM-Strukturen in die neuen 1-Euro-Jobs überführt.

Uwe Essig, 45 Jahre alt und langzeitarbeitsloser Programmierer in Baden-Württemberg, richtet als 1-Euro-Jobber in der Gemeinde Weinstadt in 18 Kindergärten Computer mit Internetanschluss ein. Gäbe es ihn nicht, hätten die Kindergärten keine Computer, sagte Essig. Ein normaler EDV-Administrator „wäre der Gemeinde zu teuer“.

Doch genau hier sah Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, das Problem: „Manche Kommunen sagen: ‚Zusätzlich‘ ist alles, was wir sonst nicht bezahlen können. Das öffnet das Spektrum weit.“ Wolfgang Sartorius vom Diakonie-Projekt „Erlacher Höhe“ in Baden-Württemberg zog ein ernüchterndes Fazit: „Die 1-Euro-Jobs werden bereits zum Regelfall.“ BARBARA DRIBBUSCH