: Flaschendrehen im Vatikan
Rätselhafte Welt des Konklaves: Wie wird der Häuptling der Katholen gewählt?
115 Kardinäle fest wegschließen ist an sich eine sehr gute Idee. Ließe jemand den Schlüssel verschwinden, er könnte mit Recht sagen: Es war nur ein Klacks für mich, aber ein großer Schritt für die Menschheit.
Nach der Endlagerung des alten Papstes schien die Nachrichtenwelt ein paar Tage lang vergleichsweise nur geringfügig religiös kontaminiert. Berliner CDU-Provinzler finden zu ihrem Daseinszweck zurück, kämpfen lauthals und verbissen für die Umbenennung der Karl-Marx-Straße in Johannes-Paul-II.-Straße und möchten ihren Nachwuchs in Religion nachsitzen lassen. Möge der aufgewärmte Kulturkampf sie möglichst lange nähren und ihre geringen Geisteskräfte absorbieren.
Unsere viertelaufgeklärten Feuilletongreise schrieben: Gemach, Gemach im Schlafgemach – die mediale Orgie um den Papst sei ja gerade der Beweis dafür, wie säkularisiert die Welt doch sei. Die anderen Kinder aber freuten sich, dass ihre Augen und Ohren endlich papstfrei hatten – wenn auch nur für kurze Zeit. Nach ein paar Tagen Verschnaufpause dröhnt es heute um so wuchtiger aus Rom: Welt, sei Sklave des Konklave!
Schon am Sonntag vor dem Startschuss zum Iron Pope bimmelten die Christen ihre Glocken, als gelte es das Leben. Wie man Aufmerksamkeit um jeden Preis erzielt, konnte die weltweit aktive Glaubesorte Mensch 26 Jahre lang von Papst Johannes Paul II. lernen, der als reisender katholischer PR-Terrorist keine Gelegenheit ausließ, Wind zu machen. Und der dementsprechend auch nicht einfach starb, sondern, wie es wörtlich hieß, „in seinen Gemächern verschied“. Das macht den Unterschied: Unsereins wirft das Handtuch, gibt den Löffel ab, geht über die Wupper respektive den Jordan oder entschläft allenfalls – der Papst aber „verscheidet in seinen Gemächern“. Kein Wunder, dass der Andrang auf den Posten so groß ist: Die Angeber werden nicht alle.
Die bizarren Rituale, mit deren Hilfe Mitglieder ausgeleierter Kulturen sich gemeinsam Befriedigung verschaffen, sind zivilisatorisch von geringem Erkenntniswert. Raunen und Besenschwingen, Brummeln und Brimborium sind der Kern aller Religion – da ist nichts als heilig gesprochene Watte.
In einem Punkt aber hege ich doch eine gewisse ethnologische Neugier: Wenn der große Kardinalshaufen sich in Klausur begibt und eine neue Chefspitzmütze ausauguriert – was machen diese Typen dann eigentlich? Was tun sie genau? Spielen sie, wie Freund und Kollege Fritz Eckenga vorschlug, Reise nach Jerusalem? Geht das nicht ein bisschen auf die Pumpe? 114 Stühle für 115 Kardinäle, und alle sausen, huschen und torkeln atemlos im Kreise, bis Zeremonienmeister Ratzinger in die Hände klatscht und „Sitzen machen!“ ruft?
Hat sich mancher Kardinal im Trainingslager intensiv auf diese physische Prüfung vorbereitet, mit Dauerlauf in Höhenluft? Sind verbotene Substanzen im Spiel? Werden hinterher entsprechende A- und B-Proben entnommen und im Labor ausgewertet? Wie scharf sind die Kontrollen? Kann ein auf diese sportive Reiseweise ermittelter Papst nachträglich disqualifiziert werden? Darf er gegebenenfalls im zweiten Wahllauf um die Stühle wieder mitmachen? Nein? Er ist aus dem Rennen und muss Herrgottschnitzer in Oberammergau werden? Oder wird der Dopingskandal gleich ganz vertuscht?
Man weiß es nicht, nur eines ist gewiss: Joseph Kardinal Ratzinger, 78 und immer noch mannscharf, hat bei der Papstwahl den Daumen drauf. Die Stimme des ehrgeizigen Strategen hat Gewicht, der Kardinal Ratzinger ist ein Meistermacher aus Deutschland.
Es bleibt das Rätsel: Wie wird der neue Papst wirklich bestimmt? Nach der Methode: Erst mal sehn, was Vati kann / Flaschendrehn im Vatikan? Warum nicht? Theoretisch gönge das: Ein Kardinal wird auf den Boden gelegt, ein rüstiger Kollege packt seine Füße, gibt ihm – huuiii! – richtig schön Anschwung, dreht ihn im Uhrzeigersinn im Kreise, und auf wen am Ende die Kappe des schwindelig rotierten Bodenkardinals zeigt, der muss es machen!
Der ist der neue Papst, der ballt die Beckerfaust, der macht die Säge, der tanzt Lambada an der Eckfahne, der reißt sich das Trikot vom Leib und schwenkt es freudetrunken über dem Kopf! Auf dem weißen Leibchen, das er, wie es sich gehört, brav drunter trägt, aber steht: „I Herz Jesus – I Herz New York – Ich liebe euch doch alle!“
Dann steigt, so ist es im katholischen Haus Aberglauben alter Brauch, aus der Kapelle weißer Rauch, und die Pilger, jetzt noch will’ger, laufen los, im Dutzend bill’ger. Habemus papam!, ruft die Zielgruppe froh. Im indischen Lokal indes wird lieber Papadam nachgeordert.
WIGLAF DROSTE