DIE BAFÖG-REFORM DER UNION FÖRDERT REICHE UND SCHWÄCHT ARME : Schulden schaden Studenten
Der Vorschlag der CDU-Vizechefin Annette Schavan, das Bafög mittelfristig abzuschaffen und Studierende unabhängig vom Elternhaus zu fördern, ist visionär, aber nicht zeitgemäß. Denn die Kultusministerin von Baden-Württemberg sieht noch immer vor, Studierende formal gleich zu behandeln, wenn sie real ungleiche Chancen haben. Von einem Abbau der staatlichen Ausbildungsförderung werden am stärksten die von Haus aus armen Studenten betroffen sein, jene Gruppe, die an den Unis schon jetzt klar unterrepräsentiert ist.
Im Ansatz klingen die Überlegungen Schavans und ihrer Unionskollegen verlockend: Studierende sollen nicht nach dem Geldbeutel der Eltern behandelt werden, sondern wie mündige Erwachsene.
Dazu müsste das derzeitige auf elterliche Beihilfe zugeschnittene System der Ausbildungsfinanzierung umgestellt werden, indem man steuerliche Transferleistungen in einen Sockelbetrag ummünzt, der direkt den Studierenden zugute kommt. Jeder Studierende, gleich welcher Herkunft, bekäme so etwa 150 Euro monatlich. Das wäre gerechter, als Steuererleichterungen für Eltern, von denen vor allem einkommensstarke Familien profitieren. So weit geht auch die Union.
Doch müsste diese Grundsicherung für diejenigen aufgestockt werden, die nicht auf elterliche Rücklagen zugreifen können. Noch bekommen sie Bafög – bis zu 585 Euro monatlich. Wenn dieses wegfiele, dann hätten seine ehemaligen Empfänger weniger in der Tasche, während alle anderen besser daständen – eine Umverteilung von Arm nach Reich.
Der Unionsvorschlag, dass Studenten ohne zahlende Eltern sich ersatzweise über Kredite finanzieren könnten, ist kein Ausweg, sondern eine Sackgasse. Denn so wären sozial schwache Studenten am Ende ihres Studiums auch noch hoch verschuldet.
Statt also die staatliche Förderung auf ein Minimum zurückzufahren, muss sie ausgebaut werden, damit mehr junge Menschen unabhängig vom Elternhaus studieren können. ANNA LEHMANN