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alles papst oder was? ein ordnungsruf von WIGLAF DROSTE

„Widdewiddewitt, der Papst ist tot / Die Katholiken sind in Not / Doch sie können sich auch freuen / Denn sie kriegen bald ’nen neuen“, sang mir der Jazzsaxofonist Ernst-Ludwig Petrowsky telefonisch ins Öhrchen. Das war am Sonntag, dem 3. April 2005, um ein Uhr mittags. Die alten volkstümlichen Verse, die Luten Petrowsky fröhlich zitierte, waren das erste Vernünftige, das im Geningel um den Abgang von Papst Johannes Paul II. zu hören war.

Was rissen sie sich alle die Beine aus, um beim römischen Todesmarathon vorn mit dabei zu sein. Der Herrscher der Gläubischen katholischen Zuschnitts hatte seinen letzten Furz gelassen, die mediale Welt nahm ihn voll auf Lunge und behauptete stolz, es handele sich um Weihrauch. Beschmiert und stinkend vor Dummheit standen die Medientrompeter da und dachten, sie verströmten die Aura von Pietät und Würde. Da sie alle das Identische taten, hielten sie den Karneval mit Karol Wojtyla für ganz große Kondolenz. So funktioniert Massenhypnose. Wer seinen Kopf so zugerichtet hat, dass er die eigene Propaganda unerschütterlich für die Wahrheit hält, kann in den USA Präsident werden. In Deutschland wird er Journalist und spricht gern von Pressefreiheit, einem Konsumartikel zu Einsneunundneunzig.

An Verstandabschaltungskraft konnte es das Szenario um den päpstlichen Hingang mit einem größeren Tsunami, einem Bundesligafußballbestechungsskandal oder dem Getunneltwerden einer britischen Prinzengattin durchaus aufnehmen. Die Schlammflutverwalter der öffentlichen Meinung nahmen’s dankbar entgegen – schön peu à peu, langsam und qualvoll, so wie sie das lieben, nippelte die polnische Flugente ab, sodass alle etwas davon hatten. Das nennt man wohl einen fairen Umgang mit den Medien, die diesen Tod nicht einmal künstlich breittreten und auswalzen mussten – das besorgte der Papst ganz allein. Der Mann war ein Profi, keine Frage.

Auf das letzte Kapitel folgte Gebrüll. Kleinkinder wurden vor Kameras gezerrt und mussten heulend beteuern, dass der Papst für sie „ihr ganzes Leben“ gewesen sei. Dass die Eltern dieser armen Geschöpfe nicht wegen Kindesmisshandlung belangt werden, zeigt nur, dass für Christen nicht dieselben Regeln gelten wie für mündige, also auch strafmündige Menschen. Offiziell gibt es in der Bundesrepublik Deutschland die Trennung zwischen Kirche und Staat, faktisch ist sie aufgehoben. Ein ausländischer Besucher, der Anfang April 2005 die deutschen Zeitungen las, konnte nur zu dem Schluss kommen, er sei in einem Gottesstaat gelandet.

So viel Unisono-Geblöke wie nach dem Erlösungsgewürge des obersten katholischen Hasspredigers war sogar im Kernland der freiwilligen Gleichschaltung selten zu hören. Die Tageszeitung, die nach dem Deutschen Herbst gegründet wurde, damit in Zeiten der Massenhysterie wenigstens eine Stimme mit Gehirn zu vernehmen sei, ging genauso begeistert vom Netz wie der Rest. Der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ gilt nicht für deutsche Medienvertreter. Was nicht vorhanden ist, kann nicht angetastet werden. Der Papst ist tot? Die Zeitungsrubrik für Meldungen dieser Preisklasse heißt Vermischtes.

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