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Archiv-Artikel

Steueramnestie praktisch wirkungslos

Der Bundesfinanzminister kommt mit dem Kampf gegen Steuerflucht nicht voran: Das Steuerehrlichkeitsgesetz brachte statt 100 nur etwa 1,2 Milliarden Euro Schwarzgeld zurück. Und auch die neue Kontenkontrolle wirkt zunächst in die falsche Richtung

VON HERMANNUS PFEIFFER

„Ganz offenbar haben wir uns verschätzt“, gibt Barbara Hendricks zu. Lediglich 1,2 Milliarden Euro spülte die gestern ausgelaufene Steueramnestie in die Kassen der Finanzämter. Allerdings sei die Summe höher, als sich im vorigen Jahr abgezeichnet hatte, tröstet sich die zuständige parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium. Und unterschlug dabei, dass bereits absehbar ist, dass auch der zweite Teil des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit nicht ganz so wirkt wie geplant: Die ebenfalls seit gestern verschärften Kontenkontrollen haben einen Run auf ausländische Konten ausgelöst.

Es hatte ein ganz großer Coup werden sollen: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wollte Milliardensummen an Schwarzgeld aus dem Ausland heimholen. Sein für brave Steuerzahler ärgerliches Angebot an die Sünder: Straffreiheit und für Spitzenverdiener ein halbierter Steuersatz von nur 25 Prozent. Als Zielgröße nannte er „ein zusätzlich erklärtes Kapital in einer Größenordnung von über 100 Milliarden Euro keineswegs übertrieben“.

Beim Startschuss 2004 rechnete Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) nur noch mit 20 Milliarden Euro Rückfluss – woraus sich immer noch 5 Milliarden Euro für Bund, Länder und Gemeinden ergeben hätten. Auch davon kann er heute nur noch träumen.

Hendricks wollte allerdings gestern nicht von einem Flop sprechen. Wer Schwarzgeld jetzt nicht ordnungsgemäß versteuert habe, müsse mit empfindlichen Strafen rechnen, wenn das Geld später gefunden werde.

Experten von außerhalb sehen sich jedoch bestätigt. Sie hatten den Misserfolg erwartet. Der Steuersatz sei immer noch zu hoch, und es fehle das Vertrauen der Bürger in die Regierung, was mit dem heimgekehrten Geld weiter passiere. Zudem wäre es für viele Steuersünder billiger, sich notfalls selbst anzuzeigen – dafür fallen nur sechs Prozent Strafzins an.

Das Steuerehrlichkeitsgesetz dürfte die Kapitalflucht sogar noch beflügelt haben. Besteht es doch neben der Steueramnestie auch aus einer verschärften Kontenkontrolle, die seit gestern umgesetzt wird. Nun dürfen sich Finanzämter, Arbeitsagenturen und Bafög-Behörden auf die Suche nach geheimen Bankkonten machen. Zwar bleiben Kontostand und Geldbewegungen im ersten Schritt noch geheim, aber Behörden können auch diese Informationen mit einer gezielten Abfrage schnell beschaffen.

Das bevorstehende Aus für das volle Bankgeheimnis hatte eine Reisewelle ausgelöst. Banken jenseits der deutschen Grenzen, speziell in Westösterreich, registrieren seit Wochen massiv gehäufte Anfragen deutscher Kunden für Kontoeröffnungen. Österreichische Experten schätzen, dass schon heute rund 50 Milliarden Euro deutsches Geld in Österreich liegen – Tendenz steigend. Der Wiener Sparkassen-Verbandschef Michael Ikrath sprach unverhohlen von „Wettbewerbsvorteilen“ durch die deutsche Gesetzgebung. In Österreich genießt das Bankgeheimnis Verfassungsrang, Kontrollmitteilungen an ausländische Finanzämter sind verpönt. Diese Sonderrolle hat sich das Land mit Belgien und Luxemburg in der EU erkämpft. Dagegen wurden die Kapitalflüsse in die Schweiz, laut der bankkritischen Aktion Finanzplatz Schweiz durch stärkere Grenzkontrollen „deutlich verlangsamt“.

Trotz der neuen deutschen Zasterfahndung bleibt das „Entdeckungsrisiko gering“, beklagt Dieter Ondracek. Der Präsident der Steuergewerkschaft fordert mehr grenzüberschreitende Finanztransparenz, die vollständige Streichung des Bankgeheimnisses und mehr Personal für die notorisch unterbesetzte Steuerfahndung in Deutschland.