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Archiv-Artikel

„Alle kennen den Preis, keiner den Wert“

Der Werber Bernd M. Michael beschreibt den Markt als Sanduhr: Billiges geht gut, Exklusives auch. Das mittlere Segment wird verschwinden

taz: Herr Michael, was ist geil am Geiz?

Bernd M. Michael: Dieser Slogan trifft den Zeitgeist. Man wird in der Werbung ja sogar beschimpft, man sei blöd, wenn man nicht spart. Das ist auch eine Super-Parole – und eigentlich eine Katastrophe. Denn immer mehr Menschen sagen: Die haben eigentlich recht, ich sollte weniger Geld ausgeben. Aber das ist genau die falsche Richtung, in die wir die Verbraucher erziehen.

Discounter und Ketten boomen – stirbt das Fachgeschäft endgültig aus und wir kaufen alle nur noch bei Aldi?

Nein, der Markt wird in den nächsten drei bis fünf Jahren zur Sanduhr: Unten sind die Discounter, die Smart Shopper: Schnell, billig, krachig. Und oben gibt es den wachsenden Markt für Verwöhn-Shopping: Edel, teuer, Premium. Das sind die beiden Märkte der Zukunft. Wir werden aber die Mitte verlieren.

Warum versuchen Sie dann, ihre Kinder davon abzuhalten, bei Aldi einzukaufen?

Weil sie Aldi oder H & M am Ende für eine Marke halten. Gut, das muss ich akzeptieren. Aber wir müssen den Wert, den eine Marke und Markenqualität haben, hochhalten. Die Sachen werden doch entwertet, wenn jeder nur noch den Preis kennt – und keiner den Wert. Wenn das so weiter geht, wird in ein, zwei Jahren alles so banal, so trivial sein, dass die Leute nicht mal mehr Lust haben, nach billigen Angeboten zu jagen.

Denn die Billigläden bieten ja zudem nur eine höchst eingeschränkte Produktpalette.

Ja, aber da betreibt Aldi Service am Kunden: Die großen klassischen Geschäfte bieten manchmal einfach zu viel. Da ist man am Ende verwirrt, während – leider – Aldi Orientierung gibt und mir die Mühe erspart, das Richtige auszusuchen. Oder nehmen Sie die Modekette H & M. Es gab früher mal das Wort „Modediktat“, den Frauen wurde vorgeschrieben, was sie zu tragen hatten. Das machen die jetzt wieder. Und die Menschen sind begeistert.

Wer individuell konsumieren will, geht zusätzlich im Verwöhn-Markt einkaufen. Aber was passiert mit Menschen, die sich das nicht leisten können?

Die gibt es eigentlich nicht. In jedem Mensch steckt ein Stück Aldi und ein Stück Armani, in allen Schichten. Auch sozial Schwächere leisten sich mal was für einen Euro, was eigentlich für fünfzig Cent zu haben ist.

Und wo bleibt dann die breite Mitte mit den klassischen Läden, die weder Discounter noch Top-Fachgeschäfte sind?

Die verschwindet. Denn keiner will mehr durchschnittliche Ware zum durchschnittlichen Preis in durchschnittlichen Geschäften kaufen – weil niemand ein Durchschnittsbürger sein will. Deshalb ist es gar nicht schlimm, wenn das mittlere Segment verschwindet, denn niemand braucht es mehr.

Kann man etwas dagegen tun?

Die Frage stellt sich nicht, denn der Trend ist unumkehrbar. Klagen hat überhaupt keinen Sinn. Und wer diesen Trend schneller aufgreift, hat gewonnen. INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG