: Die Mauerkreuze wackeln vor Gericht
Im Prozess um die Räumung des Kreuzwaldes am Checkpoint Charlie scheitert eine gütliche Einigung. In einer Burleske vor dem Landgericht macht die Richterin schon jetzt deutlich, dass die Verteidiger des „Freiheitsdenkmals“ kaum Chancen haben
von PHILIPP GESSLER
Am Ende stritt Mauermuseumschefin Alexandra Hildebrandt nicht nur mit der gegnerischen Seite, sondern auch mit der Richterin und ihrem eigenen Anwalt – genutzt hat auch dies nichts: Das als Kunstinstallation titulierte „Freiheitsdenkmal“ am Checkpoint Charlie mit einer pseudoauthentischen Mauer und über 1.000 Holzkreuzen rechts und links der Friedrichstraße hat so gut wie keine Chance, der Räumung zu entgehen.
Das ergab der gestrige Prozesstermin vor dem Landgericht am Tegeler Weg mit dem Aktenzeichen 290753/04. Es ging um die Räumungsklage der Bankaktiengesellschaft (BAG) Hamm gegen die „Arbeitsgemeinschaft 13. August“, die das Mauermuseum „Haus am Checkpoint Charlie“ betreibt und das BAG-Grundstück bis Ende letzten Jahres gepachtet hatte. Die BAG hatte den Pachtvertrag fristgerecht schon vor Beginn der Installation des Kreuzwaldes gekündigt – weshalb die Position Hildebrandts und der „Arbeitsgemeinschaft“ von Anfang an auf juristisch schwankendem Boden stand.
Zudem verstand es die Museumschefin wie schon beim Prozess wegen der illegal hängenden Megafotos am Bundesfinanzministerium im gleichen Gerichtssaal erneut, das Verfahren zu einer Burleske zu machen, weshalb die Richterin Regina Johansson zunehmend genervt auf ihre Einwürfe reagierte.
Dabei sollte es zunächst um eine gütliche Einigung gehen, die, wie üblich, am Richtertisch zwischen den beiden Anwälten ausgehandelt werden sollte. Doch schon das provozierte laute Proteste der zahlreich gekommenen SED-Opfer, die, ganz hinten im Saal sitzend, so gut wie nichts von der Verhandlung mitbekommen konnten. Einer von ihnen nahm sich in einer Verhandlungspause die Richterin zur Brust und warf ihr vor, es sei „unredlich“ und „unhöflich“, nicht „deutlich und artikuliert“ zu reden, so dass man auf den Zuhörerbänken nichts verstehe.
Ähnlich rüde war der Ton bei der gütlichen Verhandlung vor allem wegen Alexandra Hildebrandt, die sich mehrmals von ihrem Anwalt Christoph Lehmann zurechtweisen lassen musste, dass sie jetzt besser schweigen solle. Auch die Richterin mahnte mehrmals: „Frau Hildebrandt, jetzt sind Sie ruhig“, und: „Frau Hildebrandt, lassen Sie doch wenigstens Ihren Vertreter ausreden.“
Die BAG-Vertreter hatten schon vor dem Gerichtstermin einen Vergleich vorgeschlagen: Die „Arbeitsgemeinschaft“ könne das Areal weiter bis zum 30. Juni dieses Jahres nutzen, wenn sie zugleich mindestens 3,5 Millionen Euro Vertragsstrafe zahle. Auf diesen auch von der Richterin als sehr hart interpretierten Vergleich ließ sich die „Arbeitsgemeinschaft“ nicht ein. Einen späteren Termin zur Räumung wollte dagegen die BAG nicht akzeptierten. Die Begründung: Wenn die „Arbeitsgemeinschaft“ erst im Oktober eine Räumung hinnehme, dieser dann aber nicht nachkomme, könne es bis Mitte 2006 dauern, bis das Areal tatsächlich geräumt sei, so der BAG-Anwalt Erik Bettin. Das aber sei die Zeit der Fußballweltmeisterschaft mit ihrer weltweiten Aufmerksamkeit.
Nach Scheitern der gütlichen Einigung machte die Richterin deutlich, dass sie Lehmanns Argumentation mit „juristischen Klimmzügen geradezu artistischer Art“, wie sie zweimal sagte, nicht folgen könne. Auch seinem Argument, die BAG habe ihrerseits 2004 das Areal zu spät für die „Arbeitsgemeinschaft“ geräumt, konnte sie nicht nachvollziehen. Die beiden Parteien verbissen sich noch ein wenig in der Frage, wo nun die Touristenbude „Das größte Buch der Welt“ auf dem Areal genau stehe, dann schloss Regina Johansson die Verhandlung. Am 8. April soll ein Urteil ergehen – doch die Äußerungen der Richterin zeigten deutlich, wie wenig Chancen die „Arbeitsgemeinschaft“ hat.
Deshalb kündigte Alexandra Hildebrandt schon jetzt an, man werde das „Denkmal“ nicht räumen. Die Museumschefin erklärte zugleich, bei einem für sie negativen Urteil in die Berufung zu gehen. Wer dem Prozess folgte, kann nur zu dem Schluss kommen, dass das „Freiheitsdenkmal“ dann frühestens im kommenden Jahr fällt.