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Archiv-Artikel

Atomvertrag sorgt für Verwirrungen

Ein Abkommen zur Förderung der Kernenergie mit Südkorea soll gekündigt werden, findet der Umweltminister. Ein falsches Signal, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. Dabei folgt das Haus Trittin nur der Logik der Koalitionsvereinbarung

VON NICK REIMER

„Umweltministerium entfacht Koalitionsstreit über Atompolitik“, titelte gestern das Handelsblatt. Und lieferte ein exzellentes Beispiel, wie inszenierte Politik funktioniert. Die Informationen stammten aus dem Bundeswirtschaftsministerium, es geht um einen Vertrag mit Südkorea über Entwicklung, Planung, Export und Betrieb von Atomanlagen, den das Umweltministerium kündigen will. Das Wirtschaftsressort sieht darin ein falsches Signal für die Exportwirtschaft. Schließlich seien vom Vertrag auch Bereiche der Medizin, Biologie und Landwirtschaft betroffen.

Alles heiße Luft. Im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2002 heißt es im Punkt Ausstieg aus der Atomenergie: „Verträge mit anderen Staaten, die der Förderung der Kernenergie dienen, werden mit dem Ziel überprüft, ob sie aufzuheben oder anzupassen sind.“ Bulgarien, China, Finnland, Ukraine oder die USA – es gibt mit 17 Staaten Verträge, die unbefristet sind und eine sechsmonatige Kündigungsfrist aufweisen.

Andere Verträge aber haben aber konkrete Ablauffristen. Soll der Vertrag mit Südkorea etwa neu formuliert werden, muss er bis zum 11. Oktober dieses Jahres gekündigt sein. Insider erklären, dass für die diplomatische Begleitmusik einer solchen Kündigung der Gegenseite konkrete Verhandlungen angeboten werden sollten. Und weil das seine Zeit braucht, hat sich das Bundesumweltministerium mit dem Thema Anfang des Jahres an das Wirtschaftsressort gewandt.

Der südkoreanische Vertrag ist erst der zweite von insgesamt 28, den die Regierungskoalition wie vereinbart angegangen ist. Im Herbst war ein Vertrag mit Brasilien ausgelaufen. „Wir wollen, dass dieser angepasst wird, entsprechende Arbeiten laufen“, so der Grünen-Fraktionsvize Reinhard Loske. Dasselbe sei im Fall Südkorea wünschenswert.

Dass es im Wirtschaftsministerium offenbar helle Aufregung gibt, versteht das Bundesumweltministerium nicht. „Wir haben uns korrekt an die Koalitionsvereinbarung gehalten: Entweder die Verträge werden aufgehoben oder an die aktuelle Politik angepasst“, erklärt Ministeriumssprecher Michael Schroeren. Anpassen bedeutet: Statt auf Atom auf regenerative Energien zu setzen.

Aufregung gibt es dagegen in der Umweltbewegung: „Das Wirtschaftsministerium muss schleunigst auch die anderen Verträge auf die Agenda setzen“, sagt Thomas Breuer, Greenpeace-Energieexperte. Man könne nicht zu Hause aus der Atomkraft aussteigen und weiter exportieren wollen. Deutschland müsse „mit Anpassung oder Auflösung der Atomverträge ein klares Zeichen setzt“.

Jürgen Sattari, Atomexperte von Robin Wood, betont: „Wenn Minister Clement sich nicht immer nur gegen technologische Innovation einsetzen würde, hätte Zukunftstechnologie aus Deutschland ganz andere Chancen“. So könnten die Verträge offensiv zum weltweiten Ausbau regenerativer Energiegewinnung umgewandelt werden.

Neben dem Südkorea-Vertrag steht auch der mit dem Iran zur Debatte. Zwar kann dieser erst zum 21. November nächsten Jahres gekündigt werden. Gerade weil die Diplomaten aus England, Frankreich und Deutschland aber aktuell mit dem Iran über dessen Atompolitik verhandeln, bieten sich gute Gestaltungschancen. Diese Erkenntnis setzte sich gestern offenbar auch im Bundeswirtschaftsministerium durch: Am Nachmittag reagierte eine Sprecherin von Clement: „Berichte über einen Koalitionsstreit sind falsch.“

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