: Kameradschaft ist abgeschafft
In einem Doppelschlag hat das Land Berlin erstmals zwei Neonazi-Organisationen verboten. Die rechtsextremistische „Kameradschaft Tor“ samt ihrer „Mädelgruppe“ und die „Berliner Alternative Süd-Ost“ gibt es ab sofort nicht mehr
VON FELIX LEE
Monatelang haben Neonazis ihn mit Telefonanrufen schikaniert, er wurde auf offener Straße bedroht, und sogar Steckbriefe von ihm hingen in seiner Wohngegend. Michael Knape, Polizeidirektor für den Berliner Südosten, muss triumphiert haben, als er erfuhr, dass für seine Peiniger erst einmal Schluss mit lustig ist. Denn seit gestern Morgen ist es offiziell: Auf einer Pressekonferenz verkündete Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dass er die „Kameradschaft Tor“ samt „Mädelgruppe“ und die „Berliner Alternative Südost“ (Baso) am frühen Morgen mit sofortiger Wirkung verboten hat.
Knape selbst ließ auch nicht lange auf sich warten. Punkt sechs Uhr standen seine behelmten Mannschaften vor den Wohnungen von neun Kameradschaftsmitgliedern. Den völlig überraschten Neonazis blieb keine Zeit mehr, verdächtiges Beweismaterial zu beseitigen. Die Polizisten beschlagnahmten über 500 Flugblätter, zudem Aufkleber, T-Shirts und Aktenordner. Gegen sechs Neonazis wurden Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.
Es handelt sich um die ersten Verbotsverfügungen von rechtsextremen Kameradschaften in Berlin. Für Körting erfüllt sich damit ein lang gehegter Wunsch. Vor einem halben Jahr wies er seine Mitarbeiter in der Innenverwaltung, beim Verfassungsschutz und in den Polizeibehörden an, alle Aktivitäten der KS Tor, die in Lichtenberg aktiv war, und der Baso, die in Treptow-Köpenick ihr Unwesen trieb, bis ins kleinste Detail aufzulisten.
An Stoff mangelte es den Staatsbediensteten nicht. Es gab keinen rechten Aufmarsch in und um Berlin im vergangenen Jahr, an dem die beiden Kameradschaften – mit je 10 bis 15 meist jungen Neonazis – nicht mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen auffielen. In Lichtenberg klebten Mitglieder der KS Tor Plakate, auf denen sie SA-Führer und Adolf Hitler verherrlichten. Am 1. Mai machte die Kameradschaft von sich reden, als sie beim Aufmarsch in Lichtenberg erstmals als schwarzer Block auftrat und sich Schlägereien mit der Polizei lieferte.
Ähnlich das Register der Baso: Im Sommer entdeckten die Ermittler einen Keller auf einer Industriebrache in Schöneweide, in dem sich die Kameraden der Baso nach Hitlers Vorbild eine „Wolfsschanze“ eingerichtet hatten. Tresen und Wände hatten sie mit Hakenkreuzen und SS-Runen bemalt. Der lebensgefährliche Übergriff auf einen vietnamesischen Imbissbetreiber im April 2004 geht ebenfalls auf Mitglieder der Baso zurück. Und im Dezember kam die Ankündigung, vor Knapes Haus aufzumarschieren, um ihn und seine Familie einzuschüchtern.
Schwerpunkt beider Kameradschaften war die Bekämpfung des politischen Gegners durch so genannte Anti-Antifa-Aktionen. Auch Polizisten und Journalisten wurden bedroht.
Auf die Frage der Journalisten, warum bisher nicht noch mehr rechte Kameradschaften verboten wurden und ob seine Verwaltung künftig weiter in dieser Richtung aktiv sein wird, antwortete Körting kurz und knapp: „Wir nehmen, wen wir kriegen.“
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