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Archiv-Artikel

Androide Hirnforscher

Die Angst vor Robotern ist von Kinofilm-Figuren bestimmt, sagt die Ethnologin Lydia Haustein. Von den wahren Gefahren einer Grenzverwischung zwischen Mensch und Maschine lenke das nur ab

Interview Armin Simon

taz: Warum machen uns Roboter Angst?

Lydia Haustein: Sie sind überstark, überintelligent, über-skrupellos, ganz anders als menschliche Wesen. Maschinen, die keine sozialen Emotionen und keine soziale Verantwortlichkeit kennen, die programmiert werden können, also fremdbestimmt sind. Das hat was mit Macht und Ohnmacht zu tun.

Spielt es eine Rolle, dass diese Roboter immer in menschlichem Outfit auftreten?

Roboter sind ja eher die technisierten Figuren. Viel mehr Angst machen die Androiden, die menschlich geboren sind und technisch programmiert, und die Cyborgs, die einen tatsächlichen Geist in einer technoiden Hülle haben. Beim Roboter sieht man sofort das Fake. Der Android aber, dass könnte einer von uns sein.

Wer also erkennen lässt, dass er Roboter ist, der macht uns weniger Angst?

Ja. Der ist dann auch eher unter dem Etikett „Maschine“ abgelegt. Das kann uns zwar immer noch dominieren. Es erweckt aber nicht diese diffuse Angst, die an die Urängste von magischen Besetzungen erinnert – weil es um etwas geht, das wir nicht erkennen und greifen können.

Terminator sieht doch aber aus wie eine Maschine – und macht trotzdem Angst.

Es gibt ja auch die Stadien, wo er durchaus menschenähnlich erscheinen kann. Und in dem Moment, wo er zum Todesengel, zum Skelett wird, erinnert er an die mittelalterlichen Bilder vom Totentanz. Das sind Bilder, die an bestimmte Traditionen unserer Kultur gebunden sind und dann wahnsinnige Angst machen.

Welche Rolle spielen die Medien, vor allem Filme, in unserem Roboterbild?

Eine absolut dominante. Man kann sich diesen Roboter-Bildern kaum entziehen. Wir wollen an die Existenz von Androiden und Cyborgs glauben, weil es so realistisch aussieht.

Ist es nicht realistisch?

Nein. In Realität sind Roboter noch immer recht einfache, primitive Maschinen. Nichtsdestotrotz sind sie in ihren Resultaten von großer Auswirkung. Ein Industrieroboter vernichtet eben Tausende von Arbeitsplätzen. Aber das macht auf eine andere Weise Angst als die typischen Fragestellungen, die unser Menschenbild erschüttern.

Müssen wir uns nun vor Robotern fürchten oder nicht?

Wir müssen keine Angst haben, aber unglaublich kritisch bleiben. Wir sollten uns nicht überwältigen lassen von diesen Kinobildern, die von den wirklich gefährlichen Szenarien nur ablenken. Ich denke jetzt an die Biopolitik, wo stillschweigend und viel weniger spektakulär Prozesse ablaufen, die uns tatsächlich bedrohen. Davor müssen wir wirklich Angst haben.

Wovor?

Vor diesen Selbstermächtigungs-Neurologen etwa, die verkünden, sie hätten das Instrumentarium gefunden, um den Menschen zu beherrschen. Die, weil sie das Gehirn der Menschen so genau kennen, meinen sagen zu können, dass man sogar juristische Gesetze verändern müsste. Das macht mir tatsächlich Angst, dass das so unwidersprochen hingenommen wird. Die haben natürlich ganz elementare Bausteine gefunden, aber sie meinen, für ganze gesellschaftliche Komplexe sprechen zu können.

Also die Hirnforscher sind gefährlicher als die Roboter?

Auf jeden Fall. Das sind die wirklich schlimmen Androiden – obwohl ich nicht weiß, ob sie echt oder falsch sind.

Gibt es Verbindungen zwischen deren Arbeit und der Entwicklung von Robotern?

Ja, beide Disziplinen übernehmen gegenseitig Bilder. Die jeweils technische Entwicklungslage der Gesellschaften hält Einzug sowohl in die wissenschaftliche als auch in die philosophische Ebene. Die Hirnforschung etwa orientiert sich an Computersystemen, nicht an der Ganzheitlichkeit des Menschen. Sie meint, wieder alles mechanistisch erklären zu können.

Und die Roboter-IngenieurInnen?

Die spielen damit, dem Roboter eine emotionale Komponente zurückzugeben. Die Akzeptanz eines Roboters wird größer, wenn ich ihm Züge gebe, die mir bekannt sind. So ein Kindchen-Schema etwa, das finden wir niedlich. Das Ding selbst bleibt natürlich völlig emotionslos. Es sind unsere eigenen Emotionen, die da wirken.

Wo ist jetzt die Grenze zwischen dem menschlichen Roboter, den wir mögen, und den Androiden, vor dem wir uns, vielleicht zu recht, fürchten?

Sie ist noch nicht wirklich gesetzt. Für viele Wissenschaftler ist sie unendlich ausdehnbar. Das geht so weit, dass man sagt, man könne den Tod überwinden, indem wir unser Gehirn in ein technisches Wesen hinein applizieren. Die Szenarien sind unbegrenzt und schrecklich. Das ist genau da, wo die Hirnforschung Einzug hält. Die ganze Biopolitik ist in den Auswirkungen auf uns alle viel spektakulärer, als wir bisher glauben.

Hat das etwas mit Robotern oder Androiden zu tun?

Ja. Es wird zum Beispiel angedacht, Nervenzellen mit Siliziumchips agieren zu lassen und die dann einzubauen. Natürlich ist man noch weit davon entfernt, damit in die Praxis zu gehen. Aber die Biopolitik besetzt Bereiche, wo unser elementares Menschenbild erschüttert wird, und wo wir viel mehr nachdenken müssten …

als über den Altenpflege-Roboter.

Genau. Nur, dass es in dem Bereich nicht so starke Bilder gibt wie die von Androiden und Robots. Uns fehlen die Bilder zum Kommunizieren.