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Archiv-Artikel

DER UNFALLTOD DES PREMIERS BELASTET GEORGIENS SICHT AUF MOSKAU Reflexhafte Suche nach Schuldigen

Die Kaukasusrepublik Georgien hat ihren fähigsten Politiker verloren. Premierminister Surab Schwania starb an einer Kohlenmonoxidvergiftung im Haus seines Freundes. Die Todesumstände sind mysteriös und laden zu Spekulationen ein. In Georgien reichen weit weniger spektakuläre Fälle aus, um im Verhältnis zu Russland die immer gleichen Reflexe auszulösen.

Kaum war der Tod Schwanias bekannt, meldeten sich die ersten Parlamentarier aus Tiflis, die hinter dem Geschehen die Hand Putins geortet haben wollten. Dass zwei Tage vorher in der Nähe der abtrünnigen Republik Südossetien ein Bombenattentat mehrere Menschen tötete, schien das Bild abzurunden: Der übermächtige Nachbar lange wieder einmal zu. Moskau habe es darauf abgesehen, den transkaukasischen Flecken, der um eine irreversible Staatswerdung ringt, im Schwebezustand zu halten.

Die meisten Georgier glauben fest an dieses Gebilde. Zum einen weil es der Moskauer Politik entspricht. Zum andern weil es bequem ist, die eigene Unzulänglichkeit einem anderen, vermeintlich Schuldigen, in die Schuhe zu schieben. Das entspricht auch der vom Kreml favorisierten Logik, immer einen Sündenbock ausfindig zu machen. Herr und Knecht sind sich hier sehr ähnlich.

Schwania gehörte zu den wenigen Politikern des Landes, die in diesem ewigen Reflex einen Grund erkannt hatten, warum es mit dem krisengeschüttelte Georgien nicht bergauf gehen konnte. Seit Michail Saakaschwili und Schwania vor einem Jahr die Amtsgeschäfte übernommen haben, ist es ihnen immerhin gelungen, ein Mindestmaß an Stabilität zu entwickeln und sich innenpolitisch Vertrauen zu erarbeiten.

Schwania wurde von Vertretern der abtrünnigen Republiken Georgiens als ehrlicher und auf Ausgleich bedachter Partner geschätzt. Durch seinen Tod steht alles auf dem Spiel. Jetzt könnten Kräfte Oberwasser gewinnen, die sich mit ewigen Wahrheiten zufrieden geben. Denn eins lässt sich nicht leugnen: Schwanias Politik war Putin immer ein Dorn im Auge. KLAUS-HELGE DONATH