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Archiv-Artikel

Die Reichen entdecken die Armen

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos betonen Manager und Politiker ihr soziales Gewissen. Beherrschende Themen: Afrika, Armut und Aids. Frankreichs Präsident Chirac fordert neue internationale Steuern zur Entwicklungsfinanzierung

AUS DAVOS MARIE HOFFMANN

Zur Aids-Bekämpfung sollte die Weltgemeinschaft nach den Vorstellungen des französischen Präsidenten Jacques Chirac mindestens zehn Milliarden Dollar pro Jahr zusätzlich mobilisieren. Chirac schlug dazu beim Weltwirtschaftsforum in Davos am späten Mittwochabend Abgaben auf internationale Finanztransfers und einen Beitrag in Höhe von einem Dollar auf jedes Flugticket vor. Die Weltgemeinschaft drohe an den von Aids ausgehenden Gefahren zu „scheitern“, warnte Chirac.

Als „prinzipiell sympathisch“ bezeichnete ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums den französischen Plan. Die Bundesregierung sei aber skeptisch gegenüber einer Devisentransaktionssteuer, sagte Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser.

Die Eröffnungsplenarsitzung des Davoser Weltwirtschaftsforums begann mit einem spannenden Stück Basisdemokratie. Die etwa 1.500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden aufgefordert, aus einer Liste von zwölf „schwierigen Themen“ sechs auszuwählen, denen sie besondere Priorität beimaßen. Das erstaunliche Resultat war, dass entwicklungspolitische Themen wie Armut, Gerechtigkeit, Klimawandel, Bildung und Frieden im Nahen Osten ganz vorn lagen, während anderen Themen wie China, Islam oder Europa viel weniger Bedeutung beigemessen wurde.

Die Plenardiskussion fand im Erdgeschoss des eigens für das Jahrestreffen gebauten Konferenzzentrums statt, das sich mitten im zurzeit verschneiten Örtchen Davos befindet. An Zehnertischen diskutierten die Teilnehmer unter anderem, welche Werte sie gern Politikern ans Herz legen würden. Hier waren „Ehrlichkeit“, „Mitgefühl“, „Toleranz“ und – in einer Versammlung der globalen Elite – interessanterweise auch „Selbstlosigkeit“ und „Bescheidenheit“ maßgebende Werte.

Am ersten vollen Konferenztag gestern stand Afrika im Mittelpunkt – auch dies eine Neuerung. Die Präsidenten Südafrikas und Nigerias gesellten sich zu Prominenten wie Bill Gates und Bill Clinton, um gemeinsam für mehr internationale Aufmerksamkeit für Afrikas Probleme zu werben. „Wenn das, was in Afrika geschieht, während wir sprechen, irgendwo anders auf der Welt geschehen würde, gäbe es einen solchen Aufschrei, dass die Regierungen sich gegenseitig überbieten würden, um etwas zu tun“, meint der britische Premierminister Tony Blair.

Die Ansprachen von Chirac und Blair boten noch mehr an positiven Werten. „Wir brauchen eine Partnerschaft zwischen dem globalen Markt und der Solidarität“, sagte Chirac. „Mit der richtigen Regulierung können wirtschaftliche Kräfte Entwicklung bedeutend vorantreiben.“ Blair forderte eine „Partnerschaft zwischen den Regierungen Afrikas und denen der entwickelten Welt“ und eine Verdoppelung der weltweiten Entwicklungshilfe. „Inzwischen besteht ein Konsens, dass kein Land allein die Probleme der Welt lösen kann“, sagte er. „Auch Amerika akzeptiert inzwischen, dass der Terrorismus nicht allein durch militärische Gewalt gelöst werden kann, sondern dass es genauso sehr um die Bekämpfung der Ursachen des Terrorismus geht.“

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