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Archiv-Artikel

Nichts zu machen

Die Demokratisierung des arabischen Raums durch die USA ist gescheitert – das hat auch die Regierung Bush bemerkt. Ihr geht es jetzt nur noch um Stabilität und Einfluss

Allerdings: Die USA haben es bei der Demokratisierung des arabisch-islamischen Raumes nicht einfach

In der Vereidigungsrede zu seiner zweiten Amtszeit am 20. Januar beschwor der amerikanische Präsident George Bush die Beendigung der Tyrannei und die Etablierung demokratischer Herrschaftssysteme weltweit. Im Gegensatz zu früheren Reden erwähnte Bush diesmal keine bestimmten Staaten. Seine Außenministerin ging jedoch einen Schritt weiter. Bei ihren Anhörungen vor dem Kongress erläuterte sie nach eloquenten Beteuerungen des Ziels der Demokratisierung eine Neudefinition der „Achse des Bösen“, die nun lediglich den Iran als einziges nahöstliches Mitglied aufweist. Arabische Staaten wie das autoritär regierte Syrien, in der jüngeren Vergangenheit ein festes Mitglied jener Achse und in der Gegenwart aufgrund angeblicher Unterstützung für islamistische Terroristen im Irak heftig kritisiert, tauchten nicht auf. Überhaupt vermitteln die politische Diskussion sowie die Berichterstattung der Medien in Washington dieser Tage den Eindruck, dass die neokonservativen Falken der Administration im Iran ihr neues Fressen gefunden haben. Die Rede ist von der iranischen Gefahr am Golf, von den strategischen Gewinnen der Islamischen Republik nach dem Sturz der Talibanherrschaft in Afghanistan und Saddams im Irak, von der notwendigen Eindämmung der iranischen Macht. Die aktuelle Iranpolitik der Bush-Administration ist nur sicherheitspolitisch geprägt, von der Demokratisierungsrhetorik der vergangenen Jahre keine Spur.

Angesichts des inzwischen auch für die amerikanische Öffentlichkeit (laut aktueller Meinungsumfragen sind 54 Prozent der Bevölkerung mit der Irakpolitik der Regierung unzufrieden) sichtbaren Scheiterns der Doktrin der „demokratisierenden Invasion“ im Irak, schlagen die Neocons jedoch im Zusammenhang mit dem Iran einen bescheideneren Ton an. Richard Perle, der ehemalige Direktor des einflussreichen Defense Policy Boards, formulierte klar: „Es geht nicht darum, den Iran zu besetzen oder einen sofortigen Regimewandel zu forcieren, sondern um eine baldige Eliminierung militärischer Fähigkeiten des Mullahregimes.“ Seit der Wiederwahl Bushs hat kein einziger hochrangiger Vertreter der Administration über die Demokratisierung des arabisch-islamischen Raumes öffentlich räsoniert – das erweckt den Eindruck einer bevorstehenden Aufgabe dieses Ziels. Aber gibt Bush wirklich etwas auf? Nicht unbedingt.

In den letzten zwei Jahren und abgesehen vom Irakkrieg, der sicher zum Teil durch groß angelegte nahostbezogene Demokratisierungsträume motiviert war, bestand die Politik Bushs gegenüber der arabisch-islamischen Welt in diesem Zusammenhang vor allem aus Rhetorik. Reformpläne und Initiativen, im Alleingang oder wie im letzten Sommer gemeinsam mit den atlantischen Partnern, wurden zahlreich geschmiedet. Dennoch sind kaum handfeste politische Schritte daraus entstanden. Vielmehr kehrte die amerikanische Nahostpolitik in ihre klassischen Bahnen zurück. Dabei haben die regionale Stabilität und die Sicherung amerikanischer Interessen Vorrang vor dem Anstoß demokratischer Reformen. Es galt, die befreundeten autoritären Herrscher wie etwa in Ägypten, Jordanien und selbst in Saudi-Arabien zu unterstützen und sogar ihre kosmetischen politischen Reformen als große Schritte in Richtung Demokratie zu lobpreisen. Es war dem Weißen Haus schlicht und einfach wichtiger, regionale Stabilität zu erhalten, als wirksame Demokratisierungsschritte einzuleiten.

Dies wird so bleiben. Sicherlich verstärkt das nach der Invasion entstandene Sicherheitschaos im Irak diese realpolitische Tendenz. Bush braucht die Herrscher Jordaniens und Saudi-Arabiens im Irak und bald in der Konfrontation mit dem Iran. Und Ägypten? Mubarak und die ägyptische Diplomatie erfüllen eine bedeutsame sicherheitspolitische Aufgabe an der israelisch-palästinensischen Front, indem sie die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen regional legitimieren und weiterhin an einem Gewaltverzicht radikaler Bewegungen laborieren. Seit wenigen Monaten geht Mubarak sogar einen unerwarteten Schritt weiter und nähert sich rhetorisch und politisch Scharon an. Neulich lobte er den israelischen Premier als einzigen Politiker im jüdischen Staat, der einen Friedensvertrag mit den Arabern abschließen kann. Zum ersten Mal seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Israel und Ägypten kristallisiert sich eine ernsthafte Normalisierung der Beziehungen beider Länder heraus. Im Nahen Osten sind autoritäre Herrscher nach wie vor sehr dienlich und immer wieder in der Lage, den richtigen sicherheitspolitischen Ton zu treffen.

Allerdings: Die Amerikaner haben es bei der Demokratisierung des arabisch-islamischen Raumes auch nicht einfach. Mehr als ein Blick nach Kiew ist nicht nötig, um mit Hilfe einer vergleichenden Wahrnehmung die strukturellen Defizite arabischer Demokratisierungstendenzen ins Tageslicht zu rücken. In keinem einzigen Land, mal von den palästinensischen Gebieten abgesehen, gibt es breite oppositionelle Allianzen, die im Sinne demokratischer Reformen Druck auf die autoritären Herrscher ausüben. In keinem einzigen Land sind die Menschen bereit, auf die Straße zu gehen, um für die Erlangung ihrer Freiheit zu kämpfen. Die Angst vor dem Staat und seiner repressiven Macht unterdrückt permanent die Sehnsucht nach Demokratie. Die arabischen Massen sind weit davon entfernt, in demokratischen Reformen einen Ausweg aus der Realität der Armut, der Ungerechtigkeit und der Unterentwicklung zu sehen oder gar eine Gesamtstrategie für die Erlangung einer besseren Zukunft darin zu erblicken. Es gibt keinen breiten Konsens über Demokratie im arabisch-islamischen Raum. Formeln wie etwa „die Demokratie ist die Lösung“ oder „die Demokratie ist der Weg zur Emanzipation, zur Gerechtigkeit und zum Fortschritt“ bleiben in der arabischen Öffentlichkeit imaginär. Vielmehr lauten die Parolen, welche die Massen auf die Straße locken, „der Islam ist die Lösung“ und „der Islam ist der Weg zur Emanzipation, zur Gerechtigkeit und zum Fortschritt“. Laut zweier aktueller Meinungsumfragen, die das Kairoer Ahram-Zentrum für Politische und Strategische Studien und das Zentrum für Strategische Studien der Jordan-Universität in Amman in den vergangenen zwei Jahren durchführten, rangiert das Ziel Demokratisierung an fünfter Stelle hinter sozialer Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung durch Beschäftigungspolitik, Korruptionsbekämpfung und Verbesserung des Bildungssystems.

In den letzten zwei Jahren kehrte Amerikas Nahost-politik in klassische Bahnen zurück

Was könnte denn eine zweite Bush-Administration im arabisch-islamischen Raum machen, um die Demokratisierung zu fördern? Mit den Haupterkenntnissen aus den letzten zwei Jahren, dass der demokratische Regimewandel durch militärische Gewalt zum Scheitern verurteilt ist und dass der politische Druck auf die Autokraten ohne die Artikulierung interner demokratischer Massenbewegungen lediglich destabilisiert, muss die Antwort lauten: nichts.

AMR HAMZAWY