: „Das ist ein Fehler“
Ärzteprotest: Brechmittel haben „mit medizinisch indizierter Heilbehandlung nichts zu tun.“
Bremen taz ■ Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Ärzteverbandes Marburger Bund, lehnt eine gewaltsame Verabreichung von Brechmitteln ab – diese Position legte er ausführlich dar, nachdem 2001 in Hamburg ein Drogendealer nach gewaltsamer Brechmittelgabe gestorben war. Gegenüber der taz erläutert er mit Bezug auf den aktuellen Fall seine wesentlichen Argumente.
taz: Wie stehen Sie als Arzt zu dem Einsatz von Brechmitteln?Frank Ulrich Montgomery: Wir haben unsere Position klar formuliert: Den Einsatz von Brechmitteln ohne Gewalt halten wir für machbar und für ärztlich vertretbar. Brechmittel mit Gewalt zu verabreichen, birgt jedoch das Risiko, dass der Patient erhebliche Schäden bis hin zum Herzstillstand und zum Tod erleidet. Dabei gibt es eine wirklich schonendere Alternative, nämlich die Verabreichung von Abführmitteln: Das ist gefahrlos und birgt nicht diese großen Risiken. Man muss den Patienten dann aber drei Tage in Arrest halten und seine Exkremente überwachen.
Die gewaltsame Verabreichung von Brechmitteln wird auch mit dem Schutz des Patienten begründet: Damit der sich nicht an den verschluckten Drogen vergiftet, soll er sie erbrechen, auch zwangsweise.Bisher gibt es in der wissenschaftlichen Literatur keine Beweise, dass das gewollte Verschlucken von kleineren Drogenmengen beim Dealen zu gefährlichen Komplikationen führt. Und wenn in dem Bremer Fall der Mann beim Erbrechen die Drogenkügelchen tatsächlich zerbissen hat, finde ich das geradezu verrückt: Damit hat er sich sekundär vergiftet und so wurde ja das Gegenteil dessen bewirkt, was beabsichtigt war.
Die in diesem Fall ärztlich verantwortlichen Gerichtsmediziner erklären, sie sähen bei der Brechmittelverabreichung, bei der Polizisten den Patienten mit Gewalt fixieren, keine Probleme und bisher seien auch keine aufgetaucht.Das behaupten die Hamburger Gerichtsmediziner leider auch. Es ist für mich erschreckend, dass dadurch schon ein Mensch gestorben ist und nun ein weiterer im Koma liegt. Das hat mit medizinisch indizierter Heilbehandlung nichts zu tun. Ich halte es für einen Fehler, wenn man aus Gründen der Beweissicherung einen Menschen in die Nähe des Todes bringt.
Interview: Susanne Gieffers