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Archiv-Artikel

Besetzung statt Beratung

Am Montag startet die „Aktion Agenturschluss“: Linke Bündnisse und Arbeitslosen-Initiativen rufen zur Besetzung von Arbeitsagenturen auf. Doch nicht alle von ihnen finden diese Protestform sinnvoll

„Wir gehen nicht davon aus, dass Beschäftigte überlaufen“

VON GESA SCHÖLGENS

Den 3. Januar haben sich viele Hartz IV-Gegner rot im Kalender angestrichen: Am ersten Werktag nach Umsetzung der Hartz IV-Gesetze besetzen sie in allen großen Städten des Ruhrgebiets die Arbeitsagenturen. Mit der bundesweiten „Aktion Agenturschluss“ möchten die Besetzer gegen ein menschenunwürdiges Sozialsystem protestieren. An die Agentur-Mitarbeiter wurden im Vorfeld der Aktion Flugblätter verschickt mit der Aufforderung, sich den Protesten anzuschließen.

Doch nicht alle der beteiligten Erwerbsloseninitiativen und linken Bündnisse sehen einen Sinn in der Aktion. „Eigentlich ist das Arbeitsamt nicht der richtige Ort für den Protest“, so Hartmut Lohse von der Arbeitsloseninitiative Düsseldorf. „Wir gehen zwar dahin, wo das Geld ausgezahlt wird, aber es trifft im Grunde die falschen Leute.“ Trotzdem wollen die Arbeitslosen den Betrieb in der Düsseldorfer Agentur stören. Sie wünschen sich, vor Ort die Beschäftigten zu erreichen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Auch in Bochum laufen die Planungen für die Agenturbesetzung bereits auf Hochtouren. „Die Mitarbeiter der Agenturen sollen gewaltfrei mit unserer Botschaft konfrontiert werden“, sagt Attac-Sprecher Jürgen Bergmann. Er erhofft sich durch die Aktion einen Aufschwung für die Montagsdemos und einen „lebendigen“ 1. Mai. Der Weg für weitere Aktionen sei bereitet. „Natürlich überzeugt der Agenturschluss nicht alle Beteiligten“, gesteht Bergmann. Geplant sei deswegen am 3. Januar auch ein Gang zum Bochumer Rathaus, um Gespräche mit den Politikern zu führen.

Andere Initiativen lehnen die Agenturschluss-Aktion völlig ab. „Streng genommen begehen die Beteiligten eine Straftat – nämlich Hausfriedensbruch“, so „Tacheles“-Sprecher Markus Magaschütz. Tacheles, eine Wuppertaler Interessenvertretung von Arbeitslosen, distanziert sich im Gegensatz zu den autonomen Wuppertaler Gruppen von der Aktion Agenturschluss: „Das ist nicht unser Umgangston.“

Die Agenturschluss-Befürworter stehen dagegen voll zu ihrer Aktion. „Man muss den Mitarbeitern der Ämter klar machen, dass sie keine Angst vor uns haben müssen“, sagt Koordinatorin Mag Wompel. Als „Fallmanager“ trügen die Mitarbeiter persönlich Verantwortung für die Arbeitslosen: Sie seien schließlich diejenigen, die die Hartz IV-Beschlüsse vor Ort umsetzten. „Viele von ihnen fürchten sogar, durch Stellenkürzungen bald selbst von Hartz IV betroffen zu sein“, so Wompel. Schon jetzt hätten die Beschäftigten unter den Folgen schlechterer Arbeitsbedingungen und Stress zu leiden.

Erstaunlich gelassen angesichts der Aktion bleiben die Arbeitsagenturen selbst: Sie treffen keinerlei Prävention. „Wir bereiten uns höchstens auf Ersatzlösungen vor, beispielsweise für blockierte Eingänge“, so Werner Marquis, Sprecher der Regionaldirektion NRW. „Schwarze Sheriffs“ oder andere Polizeieinheiten würde man nach Möglichkeit keine in die Ämter bestellen. Marquis zeigte Verständnis für die Proteste gegen Hartz IV. „Bei uns sind die Beschwerden allerdings falsch abgeladen.“ Agenturmitarbeiter seien schließlich keine politischen Entscheidungsträger, und stoppen könne man Hartz IV sowieso nicht mehr. Daran, dass sich Mitarbeiter am Protest beteiligen, mag in den Agenturen niemand glauben. „Wir gehen nicht davon aus, dass Beschäftigte zu den Demonstranten überlaufen“, sagt Marquis. Ebenfalls in Sicherheit wiegt sich Jürgen Volland, Sprecher der Arbeitsagentur Duisburg: „Soweit ich weiß, sind auf uns keine ,Attentate‘ geplant.“

Gar nicht begeistert zeigt sich die Gewerkschaft Verdi. Deren Bundes-Chef Frank Bsirske bezeichnet den Agenturschluss als Zumutung für die von seiner Gewerkschaft vertretenen Agentur-Beschäftigten – wie auch die Landesebene. „Natürlich haben wir Verständnis für Wut und Empörung der Betroffenen, aber wir können nicht zulassen, dass die Beschäftigten zu Sündenböcken gemacht werden“, sagt Jürgen Glaubitz, Arbeitspolitik-Experte von Verdi-NRW. Deswegen lehne Ver.di sämtliche Aktionen ab. An Einflussmöglichkeiten der Agenturen auf die Hartz IV-Anträge mag Glaubitz nicht glauben: „Die Mitarbeiter haben nur geringe Spielräume, was die Interpretation dieser Gesetze angeht“, sagt der Verdi-Mann. Ob Zumutung oder nicht, eines werden die Agenturbesetzer für ihre Aktion in jedem Falle ernten: Aufmerksamkeit.