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Archiv-Artikel

Gekaperte „Heimatseiten“

Neonazis sichern sich Internet-Adressen mit unverdächtigem Namen: Diese Erfahrung machte das Verdener Kulturmagazin „Överblick“. Ein Heisenhof-Bewohner besetzt die gleichnamige Website

Neonazis machen sich im Raum Verden jetzt auch virtuell breit. www.överblick.de ist der Name einer Internetseite, die nichts mit dem gleichnamigen Verdener Kulturmagazin zu tun hat, dafür umso mehr mit Jan Hus, einem mit fünf jüngeren „Kameraden“ auf dem Heisenhof bei Dörverden lebenden Rechtsextremen. Hus hat sich die Adresse sichern lassen, bevor die Överblick-Redaktion erfahren hatte, dass mittlerweile auch Internetseiten mit Umlauten im Namen möglich sind. Bisher sind sie nur unter www.oeverblick.de zu finden.

Dass sich daran sobald nichts ändern wird, erfuhren sie als sie sich für die Adresse mit „Ö“ anmelden wollten, erzählt Uwe Ciesla, Redakteur des in Thedinghausen produzierten Magazins. Die Domain war schon weg. Per Email ließ sie der Inhaber wissen, dass er diese für Johann Huss, alias Jan Hus, gesichert hätte.

„Wir waren entsetzt“, sagt Ciesla. Seine Befürchtung: Demnächst erscheinen unter der Adresse seines Magazins Neonazipropaganda statt Veranstaltungshinweisen. Derzeit werden Besucher der Seite mit dem kleineren Übel konfrontiert: Sie erhalten eine Fehlermeldung.

Eine Zusammenarbeit mit Hus lehnen die Överblicker ab. Auf ein entsprechendes Angebot des Internet-Piraten reagierten sie nicht. Prompt „bombardierte“ Hus sie mit Emails und Briefen. „Mit dem ‚ö‘ wollte ich euch zwingen, freundschaftliche Kontakte zu pflegen“, heißt es in einem Schreiben. Und: „Ich muss denn doch wohl in einer härteren Sprache mit Euch kommunizieren“.

Schon vorher hatte Hus betont, dass er die Ansichten des ehemaligen RAF-Aktivisten und heute für seine rechtsextremen Äußerungen bekannten Horst Mahler teilt: Danach sollen nach dem „Zusammenbruch dieser Bananenrepublik“ die Bundespolitiker an den Galgen, die Mitläufer ins Zuchthaus und die Antifaschisten und „Abartigen“ ins Umerziehungslager kommen.

Die Strategie von Hus ist nicht neu, sagt der Internet-Rechtsextremismusexperte Uwe Seher. „Das Besetzen von Domains ist nicht unüblich.“ Unter unverdächtigen Namen – wie „Överblick“ – versuchten die Rechten ihre Propaganda im Netz zu verbreiten. Dass man nicht die „Originalseite“ erwischt, verrate meist erst der eingedeutschte Sprachgebrauch, sagt Seher. Statt „Webmaster“ ist von einem „Netzmeister“ die Rede, statt „Website“ heißt es „Heimatseite“.

Eine bundesweite Strategie sei allerdings nicht zu erkennen, sagt Seher. Vielmehr sei zu beobachten, dass solche Internetaktionen im lokalen Kontext stattfinden. Schließlich sei das Besetzen von Adressen nicht ganz so einfach. „Wird die Domain nicht regelmäßig genutzt“, erklärt Seher, „besteht die Möglichkeit, die Adresse per Gericht einzuklagen“.

Auch der Överblick hat einen Anwalt eingeschaltet. Da formal nicht Hus, sondern ein Computerspezialist, der anonym bleiben will, die Domain innehat, wendeten sie sich an ihn. Bisher blieben jedoch alle außergerichtlichen Verhandlungen ohne Erfolg. „Unserem Anwalt teilte er mit, dass wir die Domain haben könnten, wenn wir seine Anwaltskosten tragen“, sagt Ciesla. Er drohte aber auch den Överblick zu verklagen. „Unglaublich“, meint Ciesla, „so spielt er den Rechten in die Hände“.

Andreas Speit