: Regelwidriger Zustrom zum Arbeitsamt
Aus Protest gegen Hartz IV wollen Aktivisten des Sozialforums am 3. Januar die Arbeitsagentur Mitte belagern und besetzen. Genehmigt ist nur eine Demonstration zum Sitz des Amtes. Weitere Aktionen für das Frühjahr angekündigt
Regelverletzungen begehen, Konflikte auslösen und für Aufmerksamkeit sorgen: Die von der Initiative „Agenturschluss“ geplanten Proteste gegen Hartz IV nehmen neue Formen an. Am 3. Januar soll der Start der Reform gestört werden – und zwar bundesweit in mehr als 50 Städten in den Agenturen für Arbeit. Als Treffpunkt zur Berliner Demonstration dient um 10 Uhr der Leopoldplatz. Bis zu einer Kundgebung seitlich der Arbeitsagentur Mitte an der Müllerstraße sei die Aktion genehmigt, so Professor Peter Grottian vom Berliner Sozialforum. Aber das Ziel ist klar: „Wie wir reinkommen, wird nicht verraten.“
Die Aktivisten wollen trotz des zu erwartenden Polizeischutzes für die Ämter diese „besetzen, belagern und in deren Räumen Versammlungen abhalten“, kündigte Guido Arnold, Sozialforum Wuppertal, an. Gibt es eine Grenze? Wird Gewalt in Kauf genommen? Darauf entgegnete Olga Schell vom Berliner Bündnis „Das Ende der Bescheidenheit“: „Die Gewalt geht von den Agenturen aus.“ Diese würden die Arbeitslosen mit Hartz IV „drangsalieren und schikanieren“. Daher werde es Zeit für neue Interventionen. Bis 16 Uhr soll es den Initiatoren zufolge ein „buntes Programm für Solidarität und gegen Verdummung und Entwürdigung“ in den Zimmern der Agentur Mitte geben. Darunter die Einweihung eines „Kummerkastens“, in dem Betroffene der Reform ihre Erfahrungen kundtun können, sowie Gespräche und Diskussionen über die einzelnen Aspekte von Hartz IV – auch mit Mitarbeitern der Agenturen, die Schwierigkeiten sehen, die Reform umzusetzen.
Die Proteste richten sich sowohl gegen die Absenkung der Arbeitslosenhilfe als auch gegen den Zwang, eine gering bezahlte Tätigkeit annehmen zu müssen. „Dadurch dreht sich die Lohnspirale nach unten und zerstört das Tarifgefüge“, sagt Thomas Rudolph, Koordinator der Leipziger Montagsdemos. Es würden immer mehr reguläre Arbeitsplätze abgebaut und dafür neue Minijobs geschaffen. Wie hoch der Zuspruch für die nun als radikaler angekündigten Proteste sein wird, kann laut Grottian nicht abgeschätzt werden. Er hat für die Demonstration am ersten Arbeitstag des neuen Jahres 500 Teilnehmer angemeldet.
Auch wenn das Interesse der Bürger in letzter Zeit an dem Thema Hartz IV nachgelassen hat, will „Agenturschluss“ über den 3. Januar hinaus weiter am Ball bleiben. Arnold bedauerte, dass sich Ver.di-Chef Frank Bsirske von dem Aktionsbündnis distanziert habe. Grottian: „Wir denken für die Zukunft nicht an vorschnell zusammengetrommelte Aktionen, sondern wollen uns auf März, April konzentrieren.“ Auch gehe es darum, Bürger bei ihren Terminen zu den Arbeitsagenturen zu „begleiten“ und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Spätestens dann, wenn die Fünfmillionengrenze der Arbeitslosen überschritten sei, rücke die Reform wieder in die öffentliche Diskussion, so Grottian.
Mit im Boot der Protestler ist auch die globalisierungskritische Organisation Attac. Deren Vertreter Max Bitzer wies darauf hin, dass die Reform alle betreffe. Mit Hartz IV würde die Zerschlagung des sozialen Sicherungssystems vorangetrieben: „Es ist genug für alle da, um davon mit oder ohne Arbeit gut leben zu können.“
Grottian räumte ein, bislang nicht alle Ziele erreicht zu haben. So sei eine Massenmobilisierung nicht wie gewünscht gelungen. „Nach einer ruhigeren Phase wird es nicht ruhig bleiben“, kündigte er an. SONJA FRANK